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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende
Autoren: Lawrence Sanders
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ersten, daß Jugend einen Markt darstellte. Sie machten gemeinsam eine Fabrik auf, und das Geld rollte nur so herein.
    Beide wäre jetzt Mitte Dreißig und betraten stets als erste Neuland. Sie mästeten sich am sozialen Chaos der sechziger Jahre und wurden fett an Hippies und Blumenkindern, an der irrsinnigen Nachfrage nach Drillich-Jeans und fransenbesetzten Lederjacken, Röcken im Western-Stil, Halsketten für Männer und indianischen Perlenstickereien, Großmutter-Brillen und all dem Drum und Dran der Jugend, das dann so willig von den Altvorderen aufgenommen wurde.
    Die Mortons profitierten von ihrer Scharfsichtigkeit, doch wollte ihnen das eher als ein ziemlich mieses Talent erscheinen. Sie gaben es zwar nicht zu, wußten aber beide, daß sie reich wurden durch etwas, was ursprünglich als redliche und rührende Bewegung begonnen hatte. Daher ihr hektisches Mitmischen bei jeder Protestaktion, jedem Protestmarsch und jeder Konfrontation. Sie wollten ihre Schulden bezahlen.
    Um noch mehr zu sühnen, verkauften sie (mit gewaltigem Profit) ihre Fabrik und machten eine Boutique in der Madison Avenue auf - eine Investition, von der sie glücklich überzeugt waren, daß sie sich als Reinfall erweisen würde. Diese Boutique hieß „Erotica" und beruhte auf einem einzigartigen Konzept. Die Idee dazu war ihnen gekommen, als sie am Gottesdienst einer kleinen skandinavischen Sekte in Brooklyn teilnahmen, die Thor verehrte.
    „Dieses Nichtstun langweilt mich zu Tode", murmelte er.
    „Mich auch", murmelte sie.
    „Ein Geschäft?" schlug er vor. „Bloß, um was um die Ohren zu haben."
    „Ein Laden", schlug sie vor. „Irgendwas, das Spaß macht."
    „Eine Boutique", sagte er.
    „Elegant und sündhaft teuer", sagte sie. „Da verlieren wir einen Haufen Geld."
    „Mal was ganz anderes", sinnierte er. „Keine Hot pants und Papierkleider, Miniröcke und hautenge Pullis, Parkas aus Armeebeständen und Zeitungsjungenmützen. Etwas, das wirklich anders ist. Was wollen die Menschen denn eigentlich?"
    „Liebe?" schlug sie vor.
    „Genau!" Er nickte. „Das ist es."
    In ihrer Boutique, „Erotica", wurden ausschließlich Dinge verkauft, die - wenn auch vielleicht noch so entfernt - irgend etwas mit Liebe und Sex zu tun hatten. Sie verkauften Seidenlaken in vierzehn verschiedenen Farbtönen (unter anderem in Schwarz), ein „Gesäßkissen" zur, wie es in der Reklame unaufdringlich hieß, „zusätzlichen Bequemlichkeit und Annehmlichkeit". Man bekam dort lustige Briefkarten für Verliebte und Anthologien mit Liebesgedichten, Parfüms und Räucherstäbchen, Platten, die einen in eine bestimmte Stimmung versetzen sollten, duftende Cremes und Lotionen, Kerzen in Phallus-Form, Drucke, Bilder, Radierungen und Poster mit Liebesszenen, Unisex-Unterwäsche, Spitzenpyjamas für Herren, Leder-Nachthemden für Damen und Peitschen für beide. Man war gezwungen, einen bewaffneten Wächter einzustellen, der gewisse, offensichtlich gestörte Kunden hinauswarf.
    „Erotica" war auf Anhieb ein Erfolg. Florence und Samuel Morton wurden noch reicher. Deprimiert wandten sie sich einer Zuckermelasse-Diät und der Akupunktur zu. Geldscheffeln war ihr tragisches Talent. Versöhnlich stimmte, daß sie so vollkommen ohne Arg dabei waren.
    Das erste, was Daniel Blank sah, als er am Sonntagmorgen erwachte, war der Zettel auf seinem Nachttisch, die Einladung von Flo und Sam. Zweifellos gab es bei ihnen, wie er sich voller Behagen erinnerte, so exotische Dinge wie syrisches Brot, geeiste Meerhasen, geräucherten Karpfen oder sechs verschiedene Arten Hering. Und sogar Champagner.
    Nackt latschte er zur Wohnungstür, nahm Kette und Stange fort und holte sich die New York Times herein, legte Kette und Stange wieder vor, trug die Zeitung in die Küche und kehrte wieder ins Schlafzimmer zurück, wo er vor der Spiegeltür des Wandschranks seine halbe Stunde Gymnastik absolvierte.
    Diese sonntägliche Routine war ihm, seitdem er allein lebte, zur liebgewordenen Gewohnheit geworden. Verheißungsvoll golden schimmernd lagen der Tag und die Möglichkeiten des Müßiggangs vor ihm. Seine Streckübungen, Rumpfbeugen aus der Rücklage und Liegestütze versetzten ihn warm und prickelnd in eine neue Welt; es gab nichts, was ihm jetzt unmöglich gewesen wäre.
    Er duschte kurz und beobachtete mit Vergnügen, wie seine abgetrocknete Haut weich und straff wurde. Als er vor dem Spiegel des Medizinschränkchens stand und sich rasierte, überlegte er wieder einmal, ob er sich
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