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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende
Autoren: Lawrence Sanders
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immer noch an seinem Gürtel befestigt, einem breiten Leinengurt, ähnlich denen, die Fensterputzer bei der Arbeit tragen.
    Auf das flache Plateau des Teufelszahns gelangte man nur durch einen sogenannten Kamin, der an seiner Basis keine anderthalb Meter breit war und am oberen Ende gerade noch einen Durchschlupf erlaubte. Der Bergsteiger mußte Schultern und Rücken gegen die eine Kaminwand stemmen, die Knie beugen und die Sohlen seiner Schuhe auf die gegenüberliegende Wand setzen. So 'geht' er den Spalt hinauf, ganz auf die Kraft seiner Gesäßbacken, Schenkel und Gelenke angewiesen, damit er nicht abstürzt.
    Während er dem einen Fuß nicht erlaubte, loszulassen und sich weiter kratzend nach oben zu schieben, ehe der andere nicht festen Halt gefunden hatte, schob er die Schultern langsam höher -.rechts, links, rechts, links.
    Da der Spalt sich zum Plateau des zwanzig Meter hohen Pfeilers hin verjüngte, nötigte er den Bergsteiger, die Knie immer mehr einzuknicken, bis sie fast das Kinn berührten und es nur noch zentimeterweise in die Höhe ging. Weit oben mußte er sich sogar mit den Knien verspreizen und nicht mehr mit den Füßen. Dann griff er über sich und packte zwei schwere Felshaken, die ein früherer Bezwinger des Teufelszahns vorsorglich im Fels zurückgelassen hatte. Mit ihrer Hilfe konnte der Kletterer sich aus dem engen Kamin herausziehen. Der Fels war oben glatt wie ein Bettlaken.
    Für einen erfahrenen Bergsportler war der Abstieg, wenngleich schwieriger als der Aufstieg, dennoch nicht besonders gefährlich. Die Felshaken packend, glitt er in den Kamin hinein. Dort hatte er zunächst die Knie gegen die eine, den Rücken gegen die andere Wand zu stemmen, die Felshaken fahrenzulassen und sich dann langsam hinunterzuarbeiten, bis der Spalt sich so weit öffnete, daß er die Gummisohlen seiner Kletterschuhe an der Wand aufsetzen konnte.
    Um diese Tageszeit im September war das flache Plateau von fahlem Sonnenlicht überflutet. Der Schacht hingegen, in den er sich hinabließ, lag im Schatten und roch moderig.
    Er stemmte die Knie gegen den Fels, holte tief Atem und ließ die Felshaken los. Dann hing er im Dämmer, unter sich nichts als Leere. Einen Augenblick zögerte er im Halbdunkel, dann stützte er sich mit den Handflächen auf die Wand gegenüber, um seine Knie zu entlasten, und begann den langsam und ruckweise sich vollziehenden Abstieg.
    Der Kamin wurde nach und nach so breit, daß der Bergsteiger die Füße gegen die Wand stemmen konnte. Jetzt kam er schneller voran: Er drehte und wand sich, und sein Körper bewegte sich in einem stetigen Rhythmus von links nach rechts und von rechts nach links, je nachdem, wie er sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und von einer Schulter auf die andere verlagerte, bis die Steinflanken ihn nicht mehr trugen und er auf dem dunklen Boden landete.
    Fünf Minuten ruhte er sich aus und wartete, bis sein Atem wieder ruhiger ging. Er rollte das Nylonseil auf, machte den Rucksack fest, sprang dann über Felsbrocken, überquerte eine Wiese und folgte einem Feldweg bis zu der Hütte des Parkhüters, eines ältlichen Mannes, der sich darüber geärgert hatte, daß der Besucher die Mahnung, nicht allein hinaufzuklettern, einfach in den Wind geschlagen hatte. Brummig schob er ihm das Kletterbuch über den Holztresen. Der Bergsteiger unterschrieb in der Spalte 'Ausstieg' und notierte die Uhrzeit.
    Er hieß Daniel Blank.

2
    Bei der Auflösung der ehelichen Gütergemeinschaft war das Auto an Gilda Blank gefallen: eine viertürige Buick-Limousine. Daniel schaffte sich eine Chevrolet Corvette an, einen schnittigen Wagen mit starkem Motor. Seit er diesen Sportwagen fuhr, war er schon zweimal wegen Geschwindigkeitsüberschreitung angehalten worden. Beide Male hatte er eine Geldbuße zahlen müssen. Noch eine solche Übertretung, und er war seinen Führerschein los.
    Als er jetzt neben seinem Wagen stand und Segeltuchjacke, Wollpullover und T-Shirt auszog, bewunderte er die klare, weiche Linienführung der Corvette. Mit einem Handtuch rubbelte er den kahlen Schädel, Gesicht, Hals, Schultern, Arme und Oberkörper trocken. Die Abendluft wirkte auf seine Haut wie eine Abreibung mit Alkohol. Ein Gefühl von Gesundheit und Wohlbehagen erfüllte ihn. Die anstrengende Kletterpartie, der ausgefüllte Tag, die einfache Nahrung - all das stärkte ihn innerlich wie ein Neubeginn. Und es war ja auch ein Neubeginn.
    Daniel Blank war ein hochgewachsener Mann, gut einsachtzig und war
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