Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende
Autoren: Lawrence Sanders
Vom Netzwerk:
besessen; sie war die Triebkraft.
    In der Vereinbarung über die Auflösung der Gütergemeinschaft des Ehepaares Blank waren sie nicht aufgeführt worden. Gilda behielt die Buick-Limousine, das Waterford-Kristall und die Picasso-Radierung. Daniel übernahm die Mietwohnung, hundert U.S. Steel-Aktien und das Waring-Mixgerät. Von den Mortons war keine Rede, denn Blanks waren sich stillschweigend darin einig, daß sie „Daniels beste Freunde" seien und er sie haben sollte. Und so geschah es denn auch.
    Mortons straften den Volksmund Lügen, der behauptet, „Gegensätze ziehen sich an". Als Mann und Frau waren sie Vorder- und Kehrseite ein und derselben Medaille. Wo hörte Samuel auf und fing Florence an? Das konnte niemand sagen.
    Körperlich glichen sie einander so sehr, daß Fremde sie für Geschwister hielten. Klein, hager, mit einem Schopf schwarzer, fettiger Haare, hatten sie beide etwas Frettchenhaftes im Gesicht und die raschen zuckenden Bewegungen von kleinen Tieren, die angegriffen werden.
    Er war verheiratet und Appreteur von synthetischen Stoffen gewesen, sie gleichfalls verheiratet und Stoffdesignerin. Kennenlernen taten sie sich, während sie mit Schildern gegen eine Aufführung des „Kaufmanns von Venedig" protestierten; dabei entdeckten sie, daß sie beide denselben Psychoanalytiker hatten. Ein Jahr darauf waren ihre Ehen geschieden, sie nun miteinander verheiratet und übereingekommen, keine Kinder zu haben - wegen der Bevölkerungsexplosion. Beide ließen sich mit Freuden und ohne jedes Bedenken sterilisieren.
    In ihrer Ehe waren sie wie zwei Magneten, die zusammenklicken. Sie hegten die gleichen Vorlieben, Ängste, Hoffnungen, Vorurteile, Stimmungen und Abneigungen, beide den gleichen Ehrgeiz und die gleichen Verzweiflungen. Sie waren eine Person mal zwei. Die Arme umeinander geschlungen, schliefen sie in einem übergroßen französischen Bett.
    Sie wechselten ihren Lebensstil so oft wie ihre Unterwäsche und waren allen anderen immer einige Schritte voraus. Ehe es Mode wurde, kauften sie Pop-art und Op-art und wandten sich dann dem Realismus zu, noch ehe die Kritiker es taten. Sie experimentierten mit Marihuana, Amphetaminen, Barbituraten, Weckaminen und ein einziges schreckliches Mal sogar mit Heroin, ehe sie dann zu Wermut on the Rocks zurückkehrten. Sie waren die ersten, die neue Restaurants ausprobierten, Mickymaus-Uhren trugen, neue Tenöre entdeckten, neue Filme, jedes Ballett, jede Theateraufführung besuchten, die ersten, die ihre Sonnenbrillen über die Stirn hinaufgeschoben trugen. Sie erforschten ganz New York und gaben die jeweils neuesten Entdeckungen bekannt: „Dies sagenhafte kleine Restaurant in Chinatown... Die beste Bauchtänzerin auf der West-Side... Dieser meschuggene Trödelladen in der Canal Street..."
    Als Juden geboren, fanden sie den Weg zum Katholizismus über den Unitarismus, Methodismus und die Episkopal-Kirche (nebst einem kurzen, halbherzigen Versuch in Marxismus als Zwischenspiel). Nachdem sie konvertiert und einmal gebeichtet hatten, entdeckten sie diese „umwerfende Erweckungskirche" in Harlem, wo alle in die Hände klatschten und laut mitsangen. Nichts war von Dauer. Alles fing an. Sie warfen sich dem Yoga in die Arme, dem Zen und Hare Krishna, wandten sich der Astrologie zu, ernährten sich zeitweilig ausschließlich von makrobiotischen Lebensmitteln und bewirteten einen backenbärtigen Guru.
    Sie stürzten sich in die Anti-Vietnamkrieg-Bewegung und fuhren nach Washington, wo sie Transparente trugen, demonstrierten und Slogans schrien. Einmal bekam Sam von einem Bauarbeiter einen Schlag auf den Kopf, und Flo wurde von einem Börsianer angespuckt. Dann lebten sie drei Wochen lang in einer Kommune in New Hampshire, wo sie zu einundzwanzig in einem Raum schliefen.
    „Die haben immer bloß verbalisiert", sagte Sam.
    „Überhaupt keine Tiefe, keinerlei Bedeutung!" sagte Flo.
    „Eine schlimme Sache", meinten sie beide.
    Was sie antrieb, was ihre Suche nach „Relevanz" und ihren „Kommunikationshunger" befeuerte, ihre Sehnsucht nach einem „gehaltvollen Gespräch", „kosmischer Erleuchtung" und „universalem Kontakt", ja, Umgestaltung des Universums, das war ein Schuldgefühl.
    Ihr großes Talent, jene Gabe, die sie beide leugneten, weil sie so gewöhnlich war, bestand einfach darin, daß sie beide eine fabelhafte Fähigkeit besaßen, Geld zu verdienen. Die psychedelischen Entwürfe von Florence verkauften sich wie verrückt. Samuel erkannte als einer der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher