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Die Erlösung der Frauen (German Edition)

Die Erlösung der Frauen (German Edition)

Titel: Die Erlösung der Frauen (German Edition)
Autoren: Lucius Forster
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War es das Exotische oder die Angreifbarkeit, die ein solcher Name mit sich brachte? Oder fanden sie das einfach nur sympathisch, weil es witzig war? Donald vermied es, der Sache auf den Grund zu gehen. Wenn es eine allgemein gültige Erklärung dafür gab, dann hätte ihn das bloß irritiert. Das war im Übrigen auch bei allen anderen Dingen so. Nicht selten haben sie versucht, Donald mit ihrer Hausfrauenpsychologie zu analysieren. Gerade die Enttäuschten attackierten ihn allzu gerne mit populärwissenschaftlichem Halbwissen und abgedroschenen Sexismen, die sie aus Büchern und Zeitschriften kannten: Männer sind Jäger, sagten sie. Den Männern gehe es darum, ihren Samen möglichst weit zu streuen, deshalb seien sie alle schwanzgesteuert und beziehungsunfähig. Das traurige Bedürfnis, subjektive Missstände auf der Welt durch konstruierte Biologismen zu erklären, hatte Donald nie verstanden und die Tatsache, dass immer mehr Lifestyle-Magazine und Beziehungsratgeber diese Methode anwandten, hatte seiner Meinung nach alles nur noch schwieriger gemacht. Selbst Johann war sich in all seiner schöngeistigen Versnobtheit nicht zu schade, die Evolutionsbiologie zurate zu ziehen, um die Unterschiede zwischen Mann und Frau zu erklären:
    Das reicht doch alles noch viel weiter zurück. Die Trennung der Geschlechter ist ja Milliarden Jahre älter als der Mensch, der Affe oder überhaupt das Säugetier. Männchen und Weibchen definieren sich grundsätzlich mal ausschließlich über die Größe ihrer Geschlechtszellen. Während sie bei den einen immer größer wurden, um dem Embryo einen guten Start zu sichern, wurden sie bei den anderen immer kleiner und dafür zahlreicher, damit mehr Nachkommen daraus entstehen konnten. Das Problem an der männlichen Strategie war nur, dass sie gewissermaßen davon abhängig war, dass sich die Weibchen, die ja wegen ihrer großen Zellen viel mehr investierten, von den Männchen ausbeuten ließen. Das ist uns gelungen und deswegen sind die Frauen heute immer noch sauer auf uns.
    Gleichwohl dieser Erklärungsversuch weitaus komplexer war als die sonst üblichen romantischen Vergleiche mit den Steinzeitmenschen, konnte Donald nur wenig damit anfangen. Für ihn war die Fortpflanzung ja überhaupt keine Option und daher auch völlig ungeeignet, um seine Faszination für das weibliche Geschlecht zu rechtfertigen. Sicherlich gab es physiologische Mechanismen, Erektionen, Sexualhormone, wenn man wollte genetisch festgelegte und den Menschen in seinem Handeln determinierende Programme. Aber gab es nicht auch Entartungen, vor denen jeder entrüstet die Hände vor dem Gesicht zusammenschlug, weil sie das Prinzip geschlechtlicher Fortpflanzung ad absurdum führten? Homosexualität war ja mittlerweile akzeptiert, aber es gab auch Pädophilie, erotisch motivierten Kannibalismus und Menschen, die Sex mit einer Dampflok hatten. Schnell war die Allgemeinheit hier mit dem Urteil eines psychischen Defekts bei der Hand und in vielen Fällen stimmten die Experten zu. Aber war die Existenz solcher Entartungen nicht Beweis genug, dass das genetische Programm reine Formsache ist, sozusagen ein Industriestandard des menschlichen Körpers, aber eben nur ein kleiner Ausschnitt des Menschseins an sich und dass es übergeordnete Affekte gab, Perversionen, Ästhetizismus, romantische Verklärungen. Das bezweifelte ja an sich niemand, jeder war irgendwie religiös oder wenigstens vergeistigt, wenn auch manchmal auf banalste Weise. Aber warum wurde gerade der Sex und alles, was mit Beziehungen zu tun hatte, so rigoros mit dem Anspruch wissenschaftlicher Beweiskraft durchleuchtet? Und warum wurde ferner die Wissenschaft überhaupt als Stimme des Gegebenen akzeptiert? Langer Rede, kurzer Sinn, für Donald waren all diese Erklärungsversuche nichts weiter als der verzweifelte Versuch der Leute, irgendwie ihre Lebenswelt zu sortieren und die Frage zu beantworten, warum die Dinge nicht immer so laufen, wie man sich das wünscht. Denn das war doch das eigentliche Problem. Seitdem jeder für sich selbst verantwortlich war, also seit man begonnen hatte, am göttlichen Plan zu zweifeln, Vernunftehen zugunsten freier Liebe abzuschaffen und die konventionellen Geschlechterrollen abzustreifen, seitdem war das Unglück ein individuelles Problem. Es gab keine Ausreden mehr. Jeder hatte die Chance, sein Glück zu finden, seinen Traum wahr werden zu lassen, so absurd er auch sein mochte. Dass meistens trotzdem nichts daraus wurde, das
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