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Die Erlösung der Frauen (German Edition)

Die Erlösung der Frauen (German Edition)

Titel: Die Erlösung der Frauen (German Edition)
Autoren: Lucius Forster
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dem dick aufgetragenen Make-Up und den hochhackigen Schuhen, die am meisten dem entsprachen, was Donald faszinierte: Die vollkommene Unterwerfung der eigenen Person unter das vermeintliche Schönheitsideal einer Gesellschaft. Im besten Falle hatten sie sich auch noch das Näschen operieren oder die Lippen aufspritzen lassen, nur um danach meist noch beschissener auszusehen – es war herzzerreißend! Noch unterhaltsamer war der folgende Umstand: Je mehr diese – im Volksmund Tussis genannten – Frauen um ihre sexuelle Ausstrahlung bemüht waren, desto verklemmter waren sie auch im Hinblick auf alle sexuellen Aktivitäten. Corinna zum Beispiel war der Traum eines jeden Münchner Yuppie-Proleten gewesen: Wallendes, blondes, leicht gelocktes Haar, das immerzu frisch und glänzend aussah wie in der Shampoo-Werbung. Französisches Stupsnäschen, Schmollmund, darunter strahlend weiße Zähne. Unendlich lange Beine auf hochhackigen schwarzen Schuhen, die bis zur Wade hinauf geschnürt waren und darüber ein kurzes, enges, weißes Sommerkleid, unter dem sich ein perfekt geformter, kleiner Knackarsch ebenso abzeichnete wie die nach allen Qualitätsstandards westlicher Schönheitsexperten maßgefertigten Titten. Von Beruf war sie Model, hatte aber bislang nichts als Reklame für Instant-Espresso und Katzenfutter vorzuweisen. Ihr großer Traum war, wie bei fast allen Models, Schauspielerin zu werden und wie bei fast allen Models war ihr nicht vollends klar, dass sie damit nur ein völlig ausgelutschtes Klischee erfüllte. Natürlich zeigte sie sich immer dort, wo sich Männer zeigten, die ihr irgendwie weiterhelfen konnten und da Donald keiner dieser Männer war, hätte man die Begegnung der beiden entweder von vorneherein ausschließen oder aber für irrelevant befinden müssen. Der einzige Grund, warum sich Corinna überhaupt für Donald interessiert hatte, war, dass eben jene Begegnung so unfassbar romantisch war, ja geradezu grotesk, dass keine noch so abgeklärte Frau der Welt in der Lage gewesen wäre, dies nicht als Wink des Schicksals oder als Zeichen irgendeines heidnischen Liebesgottes zu erachten. Es kam einfach alles zusammen, was nach zeitgenössischen Maßstäben ein perfektes rencontre amoureuse ausmachte: Es war ein schwüler Tag im Frühling gewesen, inzwischen aber längst Abend geworden und ein heftiges Wärmegewitter brach herein, von dem Corinna überrascht wurde, so dass das eben bereits erwähnte weiße Sommerkleid nass zu werden und damit alle darunter liegenden Körperteile preiszugeben drohte. Dies geschah, nachdem ihr damaliger Freund, ein Modefotograf von geringem Format, der sein ganzes Leben damit beschäftigt war, erfolgreich zu wirken, Corinna beim Abendessen in einem Sushi-Lokal, das schon seit über zehn Jahren als außergewöhnlich hip galt, zwischen einem Lachs- und einem Thunfisch-Nigiri mitzuteilen, dass er sie mit einem anderen Model betrogen hatte, die dummerweise auch noch eine ihrer besten Freundinnen war. Es versteht sich von selbst, dass Corinna, um ihr Gesicht zu wahren, keine andere Wahl hatte, als ihrem Freund ihren Cabernet Sauvignon ins Gesicht zu schütten und wortlos das Weite zu suchen. Soviel zur Vorgeschichte. Voller Wut und nicht wissend, ob sie vor Verzweiflung weinen oder schreien sollte, trampelte Corinna dann auf ihren Stöckelschuhen durch die Stadt, ihre Lippen bebten, ihre Augen glänzten vor Hysterie. Sie hatte kein bestimmtes Ziel, die Welt um sie herum schien ins Nichts zu gleiten, das war alles nur noch Fassade. Stattdessen war sie voll und ganz fixiert auf drei Gedanken, die wirr in ihrem Kopf herum schwirrten. Die ersten beiden waren recht gewöhnlich: Man kann einfach niemandem trauen. Dieses Schwein! Dieses selbstverliebte Arschloch. Und dann auch noch mit dieser Schlampe! Was bildet die sich eigentlich ein? Das ist eine solche Beleidigung! Ich will die beiden nie wieder sehen.
    Ferner: Warum ich? Ich bin doch was besonderes, ich habe doch was Besseres verdient. Der wird schon noch sehen, die werden sich alle noch wundern!
    Der dritte Gedanke dagegen war weitaus seltener in Corinnas Geisteswelt, obgleich auch sehr menschlich: Manchmal frage ich mich, was das alles soll. Hat doch eh keinen Sinn. Warum tue ich mir das alles überhaupt an? Am liebsten würde ich ganz weit weg fahren und noch mal von vorne anfangen.
    Und eben dieser Gedanke war entscheidend, weil durch ihn alles, was sonst kategorisch ausgeschlossen wird, plötzlich möglich ist. Corinnas
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