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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde
Autoren: Emile Zola
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an Zola oder in öffentlichen Erklärungen ihr Bedauern, ja ihre Reue über ihr Verhalten zum Ausdruck. Die uneingeschränkteste Bewunderung jedoch hat Die Erde zweifelsohne in Heinrich Manns 1915 geschriebenen ZolaEssay gefunden. Die leidenschaftliche Auseinandersetzung um Zolas Erde ist heute längst verstummt, nicht verstummt aber ist sein Werk selbst, zu dem die geschichtliche Erfahrung unserer Tage einen neuen Zugang der Beurteilung erschlossen hat.
    Subjektive Absicht und objektive Wirkung sind die Koordinaten, mit deren Hilfe der Wert jedes Tuns im Spannungsfeld menschlicher Wirksamkeit bestimmt werden kann. Ein Vergleich der Zielsetzung eines Künstlers mit der erreichten Aussage seines Werkes erweist sich somit als notwendiger Ausgangspunkt für seine richtige Einschätzung. Zolas ursprüngliche Zielsetzung für Die Erde läßt sich dank der vielen Selbstzeugnisse des Autors und der alle Vorarbeiten, Manuskripte und Notizen sowie die gesamten zeitgenössischen Dokumente zu dem Roman auswertenden umfangreichen Spezialuntersuchung von Guy Robert ziemlich genau rekonstruieren. Danach hatte er mit diesem Buch eine vollständige Darstellung der Bauernfrage in Frankreich geben wollen, und wie schon im Germinal oder später im Zusammenbruch ist der gewählte Gegenstand so weitläufig und kompliziert, daß sich Zola von ihm geradezu erdrückt fühlt: »Der Gegenstand überwältigt mich, er ist so schrecklich umfangreich, denn ich will in diesem Roman das ganze Problem der Landwirtschaft und der Bauern Frankreichs unterbringen, Sitten, Leidenschaften, Religion, Politik, Vaterland und so weiter. Schließlich kann ich mich nur selbst ganz geben, und das tue ich, alles andere ist außerhalb meiner Macht.« Und schon zwei Monate vor dieser brieflichen Mitteilung vom 29. Juli 1886 an Van Santen Kolff, noch ehe Zola überhaupt mit der Niederschrift begonnen hatte, hieß es in einem Schreiben vom 27. Mai an den gleichen Empfänger, dem er in jenen Jahren meist schon während der Vorarbeiten zu einem neuen Werk ausführlich für eine Art Vorreklame in der Presse zu berichten pflegte: »Dieser Roman flößt mir selbst Entsetzen ein, denn in seiner Einfachheit wird er sicher einer der stoffbeladensten sein. Ich möchte darin all unsere Bauern unterbringen, mit ihrer Geschichte, ihren Sitten, ihrer Rolle; ich möchte darin die soziale Frage des Eigentums aufwerfen; ich möchte darin zeigen, wohin wir in dieser Landwirtschaftskrise gehen, die zu diesem Zeitpunkt so schwer ist [...]. Jedesmal, wenn ich jetzt eine Untersuchung anstelle, stoße ich zwangsläufig auf den Sozialismus. Ich möchte mit der Erde für den Bauern das machen, was ich mit Germinal für den Arbeiter gemacht habe. Nehmen Sie noch hinzu, daß ich auch Künstler, Schriftsteller bleiben will, das heißt das lebensvolle Gedicht der Erde schreiben will samt den Jahreszeiten, den Feldarbeiten, den Menschen, den Tieren, dem ganzen Lande [...]. Sagen Sie einfach, daß ich den maßlosen Ehrgeiz habe, das ganze Leben des Bauern in meinem Buch unterzubringen: Arbeit, Liebe, Politik, Religion, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; und Sie werden die Wahrheit berichten [...]. Aber werde ich die Kraft haben, ein solches Riesenstück Arbeit zu bewältigen? Auf jeden Fall werde ich es versuchen.« (Hervorhebungen R. Sch.)
    Diese verschiedenen Äußerungen Zolas zur Erde sind in doppelter Hinsicht interessant. Einmal belegen sie durchgängig sein Bemühen, den gewählten Gegenstand in seiner ganzen komplizierten Komplexität zu erfassen und darzustellen, und zum anderen zeigen sie von Anfang an seine Schwierigkeiten, die verschiedenen Aspekte seiner Thematik als eine einheitliche künstlerische Aufgabe zu begreifen.
    Zola erkennt zweifelsohne die Bedeutung der gesellschaftlichen Problematik für eine zum Wesentlichen vorstoßende Darstellung. Ohne Behandlung der sozialen und politischen Fragen ist dieses Thema in der erstrebten Allseitigkeit überhaupt nicht faßbar, Diese Einsicht verrät auch die Anspielung auf Germinal, dessen Aussagekraft und dokumentarischem Wert Zola in seinem Roman über den Bauern gleichkommen will. Das geht ebenso aus den noch früher abgefaßten, vermutlich ersten vorbereitenden Aufzeichnungen für Die Erde klar hervor. Diese Aufzeichnungen sind eine Art Gedächtnisstütze; Zola notierte zunächst völlig ungeordnet und zusammenhanglos alles, was ihm bei einer ersten bewußten Beschäftigung mit seinem Stoff einfiel und festhaltenswert erschien. In
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