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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde
Autoren: Emile Zola
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Gustave Guiches, ein Manifest, worin sie sich feierlich von Zola lossagten, den sie bis dahin 'angeblich als ihr Vorbild und ihren literarischen Lehrmeister betrachtet hatten. Anlaß dieser öffentlichen »Gewissenserklärung« war Zolas jüngster Roman Die Erde, der seit dem 29. Mai im Gil Blas in Fortsetzungen erschien und dessen Niederschrift Zola gerade an jenem gleichen 18. August beendet hatte.
    Wieweit bei diesem Manifest Geltungsbedürfnis, Reklamesucht, persönliche Gehässigkeit oder sogar Intrigen neidischer Freunde Zolas eine Rolle gespielt haben, mag dahingestellt bleiben. Interessant ist nur, daß diesmal die Reaktion auf ein Werk des Meisters von Medan Ausmaße annahm, die alle bisherigen Angriffe weit übertrafen. Und die fünf jungen Leute blieben mit ihrer Ablehnung der Erde nicht allein. Zu ihnen gesellten sich die namhaftesten Vertreter der offiziellen Literaturkritik, allen voran Brunetiere, ja selbst Schriftsteller wie Octave Mirbeau und Anatole France. Sie alle waren sich einig in der Verurteilung dieses neuen Werkes, das nach Brunetières Meinung den Niedergang des Naturalismus endgültig vor aller Augen sichtbar werden ließ. Mit dieser Behauptung hatte Brunetière deutlicher noch als die »Fünf« ausgesprochen, worum es im Grunde ging: um die Verurteilung einer literarischen Richtung, die es nicht unter ihrer Würde fand, in die Gruben hinabzusteigen, in die Hallen und die Arbeiterviertel von Paris zu gehen, Not und Elend der arbeitenden Menschen anklagend ins volle Tageslicht zu heben, die nicht davor zurückscheute, hinter den Fassaden der »feinen Häuser« Schmutz und Unrat, Laster und Herzlosigkeit aufzuspüren, das Banausentum und die Neuerungsfeindlichkeit des offiziellen Kunstbetriebes offen beim Namen zu nennen, die, mit einem Wort, ihre Umwelt, die Menschen, das wirkliche Leben kritisch durchleuchtete und die Menschen immer und immer wieder zum Nachdenken über ihr Schicksal, ihre Verantwortung, über den Sinn und Zweck ihres Daseins veranlaßte. Eine solche Literatur war unbequem. Die Unmoral, die sie so unbestechlich als einen Wesenszug ihrer Zeit bloßlegte, mußte ihr selbst zum Vorwurf gemacht werden, wollte man sie in den Augen der Öffentlichkeit diskreditieren. Und so münden fast alle Einwände, die vom ersten bis zum letzten Roman der »RougonMacquart« gegen Zola erhoben wurden, immer wieder in diese eine »ultima ratio«: sein Werk sei die Ausgeburt einer schmutzigen Phantasie, eine Beleidigung der Menschenwürde, ein Angriff auf alles Gute und Schöne.
    Diese Vorwürfe waren auch der Tenor der Kritik, die an der Erde geübt wurde. All diesen Kritiken hat eigentlich schon Maupassant in seinem Brief an Zola die entsprechende Antwort erteilt: »Man bildet sich nach der Lektüre einiger Sätze oder Abschnitte eine Meinung, und [...] das Publikum [...] fährt fort, sich gegen das, was es Schweinereien nennt, zu empören, weil es nichts begriffen hat [...], und die Zartbesaiteten empören sich darüber, gedruckt zu lesen, was sie alle Tage tun[...]«.
    Sicher war Zolas Buch keine erbauliche Abendlektüre für wohlbehütete höhere Töchter, es war auch kein Buch zum Träumen und Ausruhen. Die Erde spricht eine harte, oft erbarmungslose Sprache, vielleicht schockiert sie auch mit dem einen oder anderen Abschnitt, schlüpfrig und gewollt aufreizend jedoch sind ihre Bilder nie.
    Der Vorwurf der Unmoral fiel letztlich auf jene zurück, die Autor und Werk so übel verleumdet hatten. Nicht nur wohlgesinnte Freunde verurteilten die Beleidigungen der »Fünf« und die Gehässigkeit der Presse, auch eine kleine Gruppe zeitgenössischer Kritiker, vornehmlich der Linkspresse, allen voran die Mitarbeiter des Cri du peuple – und diese Tatsache zeigt deutlicher als alle vordergründigen Argumente, wo eigentlich die Fronten dieser Literaturschlacht um Die Erde verliefen – ließen dem Werk Gerechtigkeit widerfahren. Vor allem aber waren es die Leser selbst, die mit ihrem Urteil den Streit der Meinungen entschieden. 1902, im Todesjahr Zolas, hatte Die Erde eine Auflagenhöhe von 135000 Exemplaren erreicht, und 1928 konnte Maurice Le Blond, der Herausgeber von Zolas Gesamtwerk, feststellen, daß sie die beliebtesten Werke Zolas, wie Germinal und Nana, bereits übertraf.
    Aber auch die Gegner von einst nahmen ihre Einwände zurück. Anatole France verzieh sich ein Leben lang nicht seinen jugendlich unüberlegten Angriff, und die »Fünf« brachten der Reihe nach in persönlichen Briefen
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