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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge
Autoren: Michael Peinkofer
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Vierpfünder werden diese Halunken Mores lehren, sollten sie sich erdreisten, sich zu zeigen. Jeder weiß, dass mit einer Fregatte der königlich britischen Marine nicht zu spaßen ist.«
    »Freilich, werter Herr Kapitän«, meinte Pater O’Rorke, »die Frage ist nur, ob die Piraten es ebenfalls wissen.«
    »Seid unbesorgt, mein guter Pater«, erwiderte Garrison mit gönnerhaftem Lächeln. »Lasst mich nur meine Arbeit tun.«
    »Das werde ich«, antwortete der Mönch nicht weniger lächelnd, »so wie ich die meine tun werde. So wie ich es sehe, kann ein Gebet an einem Ort wie diesem nicht schaden.«
    Und er setzte den kleinen Nicolas ab und faltete die Hände, während er den Blick andächtig zum wolkenlosen Himmel richtete.
    Auch Lord Clifford senkte unmerklich das Haupt. Einerseits durfte er nicht zeigen, dass auch er sich sorgte, und musste ein Vorbild sein für seine Familie wie auch für seine Untergebenen. Andererseits wusste er, dass O’Rorke nur zu Recht hatte. Wenn es tatsächlich hart auf hart käme, würden weder Kanonen noch blanke Säbel die Valiant retten können, sondern einzig und allein die Gnade des Herrn.
    Das Gebet des Paters endete, und Lord Clifford setzte ein leises »Amen« hinzu, als der Ruf des Ausgucks die drückende Stille über der See zerriss: »Schiff an Steuerbord!«
    Lady Jamilla sandte Lord Clifford einen furchtsamen Blick, während Kapitän Garrison nach dem Fernrohr griff und an die Reling trat. Tatsächlich waren jetzt vor der dunklen Küste Kubas helle Flecke auszumachen – Segel, die sich rasch näherten.
    »Sie haben die Beisegel aufgezogen und segeln hoch am Wind«, stellte Garrison fest.
    »Piraten?«, fragte Lord Clifford mit belegter Stimme.
    »Das Schiff trägt keine Beflaggung. Aber ich werde nicht warten, bis mir der Jolly Roger 1 um die Nase weht. Schiff klar zum Gefecht!«
    »Klar zum Gefecht!«, gab Tolen, der Erste Offizier, den Befehl weiter – und schon im nächsten Augenblick verwandelte sich die beschauliche Trägheit, die eben noch auf Deck geherrscht hatte, in hektische Betriebsamkeit: Eilig liefen die Seeleute umher, sicherten das Schiff und bezogen ihre Posten. Die Waffenkammern wurden geöffnet, Pistolen und Säbel ausgegeben. Die Soldaten griffen nach ihren Musketen und bezogen auf dem Oberdeck Stellung, während die Stückmannschaften unter der Führung der Unteroffiziere und Maate an die Geschütze gingen.
    »Stückpforten!«, erscholl der Befehl des Wachoffiziers, und entlang der Steuerbordseite der Valiant platzten die viereckigen Öffnungen auf, und die eisernen Rohre der Vierpfünder erschienen.
    »Wollen sehen, ob das nicht ein wenig Eindruck macht«, knurrte Garrison und schlug den grauen Uniformrock zurück, um Glocke und Griff des Säbels sichtbar werden zu lassen, die glatt poliert waren vom häufigen Ziehen.
    Die Antwort fiel anders aus als erwartet.
    Eben noch war der Großmasttopp der fremden Pinasse verwaist gewesen – doch im nächsten Augenblick trug es jenes Zeichen, das braven Seeleuten in aller Welt das Blut in den Adern gefrieren ließ: die schwarze Flagge.
    »Hölle«, knurrte Garrison, der wieder durch das Fernrohr blickte. »Es ist der Franzose.«
    »Ein Pirat?«, fragte Lord Clifford.
    »In der Tat – und zwar der blutrünstigste von allen. Offenbar hat das Beten nicht geholfen.«
    Lord Clifford spürte, wie lähmende Furcht ihn befiel – nicht um seiner selbst, sondern um seiner Familie willen. Rasch wandte er sich zu Jamilla um, die den kleinen Nicolas bereits auf den Arm genommen hatte. Pater O’Rorke war bei ihnen, das Gesicht jetzt noch düsterer als zuvor.
    »Habt keine Angst«, sagte Lord Clifford, an seine Frau und an den Jungen gewandt, »Pater O’Rorke wird euch unter Deck bringen, dort werdet ihr sicher sein. Es wird alles gut werden.«
    »Oh, Clifford«, sagte Jamilla nur und schien mit einem Mal ihre eigene Unbekümmertheit zu bereuen.
    »Hab keine Angst«, sagte er noch einmal, und obwohl es weder seinem Stand noch der Lage gemäß war, zog er sie an sich heran und küsste sie hart und innig.
    »Ich liebe dich«, sagte er leise, dann küsste er den kleinen Nicolas auf die Stirn. Für weitere Worte des Abschieds blieb keine Zeit.
    Sowohl Jamilla als auch der Junge klammerten sich an ihn, wollten ihn nicht loslassen, als könnten sie so das Unglück verhindern, das im Begriff war, über das Schiff und seine Besatzung hereinzubrechen. Aber Lord Clifford gab Pater O’Rorke ein Zeichen, worauf er sich der Lady und
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