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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge
Autoren: Michael Peinkofer
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des Jungen annahm und sie unter Deck schaffte, in die Kajüte, die sie gemeinsam bewohnten. Ein letztes Mal trafen sich ihre Blicke, dann verdrängte der harsche Ton des drohenden Kampfes jede zarte Empfindung.
    Die Trommeln wurden gerührt, während die Musketiere aufenterten und in den Wanten Posten bezogen. Gleichzeitig eilten die Seeleute, jetzt mit Pistolen und Säbeln bewaffnet, auf die Steuerbordseite des Schiffes, wo sie sich hinter das Schanzkleidkauerten. Der Smutje und die Schiffsjungen streuten unterdessen Sand auf die Planken – der Grund dafür war Lord Clifford nur zu klar. Wenn die Valiant geentert wurde und es an Bord zum Kampf kam, würde das Deck im Nu von Spritzwasser und Blut übersät sein. Der Sand sollte verhindern, dass die Männer ausglitten.
    Einer der Diener aus Lord Cliffords Gefolge brachte eilig dessen Klinge sowie seinen Waffengurt und die beiden silberbeschlagenen Pistolen. Graydon legte den Gurt um und schob die Pistolen hinein, die der Diener bereits geladen hatte. Dann griff er nach der Klinge – ein Breitschwert schottischer Fertigung, wie viele englische Herren es trugen. In Griff und Knauf eingearbeitet war der sich windende Drache, das Wappentier der Graydons von alters her.
    Lord Clifford wog die Klinge in seiner Hand und gesellte sich dann zu Kapitän Garrison, der an der Reling Aufstellung bezogen hatte, den blanken Säbel in der Hand. Das Fernrohr brauchte Garrison nicht mehr, um die Pinasse zu sehen – mit atemberaubender Geschwindigkeit hatte das Piratenschiff aufgeholt, es flog so schnell heran, als berühre sein Kiel kaum das Wasser. Die Segel blähten sich, als wollten sie bersten, und am Großmast wehte die schwarze Flagge, die, wie Graydon jetzt erkannte, einen Totenkopf und ein Stundenglas zeigte – ein Zeichen dafür, dass für die Besatzung der Valiant die Zeit auf Erden abgelaufen war, wenn es nach den Piraten ging.
    In spitzem Winkel hielt die Pinasse auf die Valiant zu. Bald schon würde sie ihren Kurs kreuzen. Den Piraten mit einem geschickten Manöver zu entkommen, war nicht möglich, dazu war ihr Schiff zu schnell. Und mit einigem Entsetzen erkannte Lord Clifford, dass der Dreimaster schwer bewaffnet war. Stückpforten öffneten sich, und die bedrohlich dunklen Mündungen von einem Dutzend Sechspfündern starrten der Valiant feindselig entgegen.
    »Verdammt noch mal«, wetterte Garrison gegen den Trommelschlag und das Geschrei auf Deck, »der Kerl greift mit dem Wind an. Wo immer er sein Handwerk gelernt hat, er scheint es zu beherrschen. Der Luvvorteil verlängert die Reichweite seiner Kanonen …«
    Der Kapitän hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als das erste Geschütz an Bord der Dreimastbark donnernd Feuer gab.
    Eine grelle Flammenzunge stach aus der Stückpforte oberhalb des Bugs, gefolgt von einer Wolke weißen Pulverdampfs.
    »In Deckung, Euer Lordschaft!«, hörte Lord Clifford Garrison brüllen. Er erhaschte einen kurzen Blick auf etwas, das dicht über der glitzernden Fläche der See heranwischte, und warf sich hinter der Achterschanzung zu Boden.
    Einen Atemzug später hörte er einen dumpfen Einschlag, gefolgt von Splittern und Krachen und lautem Geschrei. Lord Clifford hob den Blick und spähte zum Vordeck, wo sich ein schrecklicher Anblick bot. Die Kanonenkugel hatte die Back der Valiant durchschlagen und eine blutige Schneise in die Reihen der Männer gerissen, die dort mit blanken Waffen auf den Feind gewartet hatten. Verstümmelte Körper übersäten das Deck, Blut besudelte die Planken.
    Und die Piraten gaben weiter Feuer.
    Nacheinander wurden die Sechspfünder gezündet, schlugen Flammen und Rauch aus den Mündungen der Kanonen – und todbringende Geschosse, die an Bord der Valiant einschlugen und das Schiff erzittern ließen.
    Die Kugeln waren gut gezielt.
    Nur eine von ihnen durchbrach das Schanzkleid und fegte über das Oberdeck, wiederum eine blutige Bresche schlagend. Die übrigen drangen ein Deck tiefer in die Wandung der Valiant – dort, wo die Stückmannschaften an den Geschützen kauerten.
    Dicht aufeinander schlugen die Geschosse ein, mit infernalischem Getöse und furchtbarer Wucht. Massives Eichenholz splitterte wie Glas, und die Männer brüllten heiser vor Schmerz, als die Kugeln ein entsetzliches Blutbad unter ihnen anrichteten.
    »Sechs schwere Treffer unter Deck, Sir«, meldete der Erste Offizier. »Bug- und Achterstücke sind ausgefallen.«
    »Dieser Hundesohn«, wetterte Garrison ganz entgegen der Etikette, die
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