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Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Titel: Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
Autoren: Ulrike Schweikert
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Ein Schaf oder ein Lamm, das eine Fahne trug. Nein, es war ein Kreuz mit einer Fahne, und es sah so aus, als würde es das Schaf durchbohren. Alisa runzelte die Stirn. Ein Agnus Dei? Täuschte sie sich? Nein, aber wie war das möglich? Sie griff nach Hindriks Arm.
    » Was hältst du davon?«
    Nun, da er es erkannte, zuckte er doch. Dann schüttelte er verwirrt den Kopf. » Die Vyrad schmücken ihr Gebäude mit dem Lamm Gottes? Seltsam! Ich habe ja davon gehört, dass die Londoner exzentrisch sind. Aber so exzentrisch?«
    » Eine Kirche war das Gebäude hier aber nie«, behauptete Alisa. » Es müsste sonst eine deutlich stärkere Ausstrahlung haben, selbst wenn es seit Jahrhunderten nicht mehr für Gottesdienste benutzt wird.«
    Hindrik nickte. » Und dennoch spüre ich etwas, was mir nicht ganz behagt.«
    Es war Sören, der den rechten Hinweis zur Lösung des Rätsels gab. Er trat neben Alisa und Hindrik und folgte ihrem Blick zu dem goldenen Lamm, auf das die Rippen des Kreuzgewölbes zuliefen.
    » Jetzt verstehe ich, warum die Vyrad von der Middle Temple Hall sprechen.«
    » Natürlich, es ist das Symbol der Tempelritter.« Alisa schlug sich an die Stirn. Es ärgerte sie ein wenig, dass sie den Zusammenhang nicht selbst erkannt hatte. » Hier muss der Orden im Mittelalter seine Londoner Niederlassung gehabt haben, bis der französische König mit Hilfe des Papstes den Orden unter fadenscheinigen Anklagen vernichtet hat.«
    » Ja, wir wissen, dass du in der Geschichte der Menschheit bewandert bist«, kommentierte Tammo mit genervter Miene.
    Alisa zuckte mit den Schultern. » Es schadet nichts, wenn du auch noch etwas lernst«, gab sie zurück und wandte sich wieder an Hindrik. » Das Gebäude gehörte also den Templern, die, obwohl sie wie Ritter kämpften und mit dem Schwert die Pilger zu den heiligen Stätten beschützten, auch als katholischer Orden galten. Sie lebten wie Mönche keusch im Zölibat, weshalb ihre Kommenden Klöstern gleichen. Das ist es, was dir Unbehagen bereitet.«
    Hindrik nickte, während Sören einwarf: » Im Zölibat vielleicht, aber keusch? Das möchte ich bezweifeln.«
    Sie traten durch das schwere Tor, neben dem zwei Vyrad in dunklen Uniformen mit blanken Goldknöpfen standen, die sich stumm vor ihnen verbeugten. Die beiden Unreinen wiesen ihnen den Weg den Gang entlang durch die offene Tür in der rechten Wand. Neugierig traten die Vamalia ein.
    Es war ein beeindruckender Raum, zweifellos. Etwas Ähnliches hatte Alisa noch nie gesehen. Entfernt erinnerte die Halle mit den farbigen Glasfenstern und der hohen gewölbten Decke an ein Kirchenschiff und doch war die Wirkung eine andere, denn nicht nur die Wände waren bis auf halbe Höhe mit dunklem Holz verkleidet, das bunte Wappen zierten. Auch die Decke war ganz aus Holz, eine Konstruktion aus verschieden großen Kassetten– eingelassen zwischen Stegen und kunstvoll gedrechselten Bögen–, die zusammen den Eindruck eines Gewölbes erweckten. Vor der hinteren Wand stand– auf einem Podest ein wenig erhöht– ein Tisch mit einem Dutzend samtbezogener Stühle, deren hohe Lehnen ebenfalls kunstvolle Schnitzereien zierten. Wesentlich einfacher gehalten waren die zahlreichen weiteren Stühle um vier lange Tische, die den Rest des großen Saals nahezu ausfüllten. In der Mitte öffnete sich ein breiter Gang, den Alisa nun mit bewunderndem Blick entlangschritt. Dieser Saal war nicht verspielt oder reich mit Stuck und Gold dekoriert wie die Galerie im Palais Coburg bei den Dracas, aber nicht minder prächtig. » Ehrwürdig« war das Wort, das die Ausstrahlung am besten beschrieb.
    » Alisa!«
    Lucianos Stimme ließ sie herumfahren. Strahlend eilte sie ihm entgegen und umarmte den Freund.
    » Wie schön, dass ihr da seid«, rief sie und drückte ihn gleich noch einmal. Anders als letztes Jahr schien es ihn dieses Mal nicht verlegen zu machen. Ja, sie spürte sogar so etwas wie Erleichterung. Er erwiderte die Umarmung. Dann schob er sie von sich und setzte eine entrüstete Miene auf.
    » Alisa, du versuchst doch nicht etwa, meine Gedanken zu lesen?«
    Die Vamalia kicherte. » Huch. Das wird mir langsam zur Gewohnheit. Ich habe den ganzen Sommer über geübt, und glaube mir, es waren nicht nur schöne Dinge, die ich erfahren habe!«
    » Dann lass es doch einfach«, schlug Luciano vor, erntete dafür aber nur einen vorwurfsvollen Blick.
    » Nachdem wir es nun endlich können? Niemals. Aber noch mehr Zeit habe ich darauf verwendet, meine Gedanken
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