Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel
Autoren: Thomas Pynchon
Vom Netzwerk:
Bananenporridge und Bananenjam und Bananenbrot sowie Bananen, flambiert mit altem Brandy, den Pirat voriges Jahr in einem Keller in den Pyrenäen abgestaubt hat, in dem er außerdem einen geheimen Radiosender vorfand... Als das Telephongespräch kommt, schneidet es leicht durch den Raum, durch die Katzenjammer, durch das Gegrapsche, das Geschirrgeklapper, die Fachsimpeleien und bitteren Gekicher wie ein rüder, metallischer Doppelfurz, und Pirat weiß, das ist für ihn. Bloat, der am nächsten sitzt, hebt ab, einen Löffel voll bananes glacees elegant in Schwebe haltend. Pirat schöpft einen letzten Schluck Met, fühlt das Getränk durch die Ventile seiner Kehle gleiten, als ob es die Zeit selber wäre, die er da schluckt, die Zeit eines ruhigen Sommertages. "Dein Brötchengeber."
    "Das ist nicht fair", stöhnt Pirat, "ich hab noch nicht mal meine Morgenliegestütze gemacht."
    Die Stimme, die er bisher nur einmal gehört hat - im vergangenen Jahr bei einer Einsatzbesprechung, Hände und Gesicht geschwärzt, anonym unter einem Dutzend anderer Zuhörer-, berichtet Pirat, daß eine Botschaft für ihn eingegangen sei, abzuholen in Greenwich. "Wir erhielten sie auf eine recht zauberhafte Weise", sagt die hochgeschraubte, träge Stimme, "keiner von meinen Freunden wäre so clever. Meine Briefe kommen alle mit dem Briefträger. Seien Sie doch so freundlich, sie abzuholen, Prentice." Der Hörer knallt hart auf die Gabel, die Verbindung ist weg, und Pirat weiß nun, wo die Rakete dieses Morgens niedergegangen ist und warum es keine Explosion gab. Post für uns, weiß Gott. Er starrt zwischen den schrägen Streben des Sonnenlichts durch das Refektorium, wo die anderen in ihrer
    Bananenorgie schwelgen. Die gaumigen Geräusche ihrer Freßgier verhallen in der Strecke des Morgens, die sich zwischen ihn und die Kumpane schiebt. Hundert Kilometer, ohne Warnung. Einsamkeit kann, selbst in den Maschen dieses Krieges, sich so auf seine Gedärme schlagen, wenn sie nur will, kann ihn, wie eben jetzt, ganz in Besitz nehmen. Wieder ist Pirat draußen vor einem Fenster, sieht Fremden beim Frühstück zu.
    Von seinem Burschen, einem Corporal Wayne, wird er in einem zerbeulten grünen Lagonda hinausgefahren, nach Osten, über die Vauxhall Bridge. Der Morgen scheint um so kälter zu werden, je höher die Sonne steigt. Am Himmel ballen sich nun doch die Wolken zusammen. Ein Haufen amerikanischer Pioniere strömt über die Straße, unterwegs, um irgendeine Bombenstelle in der Nähe abzusichern; sie singen:
    Es ist...
    Kälter als die Warze einer Hexentitte ist!
    Kälter als ein Kübel voller Pinguinmist!
    Kälter als das Haar auf dem Arsch von einem Elch!
    Kälter als der Frost auf 'nem Champagnerkelch!
    Nein, sie geben sich als Narodniki, aber ich weiß, daß sie zu last gehören, zu Codreanu, sind seine Leute, Männer der Liga, sie ... sie töten für ihn - sie haben geschworen! Sie wollen mich umbringen ... transsylvanische Magyaren, kennen Zaubersprüche ... nachts flüstern sie, wispern ... Tja, hrrump, heh, heh, hier überkommt Pirat schon wieder sein Zustand, gerade als er es am wenigsten erwartet, wie üblich - warum nicht gleich erwähnen, wieviel von dem, was die Dossiers Pirat Prentice nennen, aus dem seltsamen Talent besteht - nun, in die Gedankenspiele anderer hineinzukriechen: die Last zu übernehmen, fremde Tagträume stellvertretend abzuwickeln, in diesem Fall jene eines rumänischen Exilmonarchisten, der sich schon bald als äußerst nützlich erweisen könnte. Es ist eine Begabung, die der Firma ganz außerordentlich zustatten kommt: Gerade in diesen Zeiten ist eine gewisse geistige Robustheit bei Führerpersönlichkeiten und sonstigen historischen Figuren unerläßlich. Keine bessere Methode, ihre Angstüberschüsse zur Ader zu lassen, als jemanden zu finden, der ihre zermürbenden kleinen Tagträume auf sich nimmt... im zahmen, grünen Licht ihrer tropischen Refugien weilt, wo sanfte Brisen durch die Cabanas streichen... ihre Longdrinks schlürft und eigens den Platz wechselt, um keinen ihrer öffentlichen Auftritte zu verpassen, auf daß ihre Unschuld nicht noch mehr Schaden leide, als schon angerichtet ist... stellvertretend ihre Erektionen bekommt, wenn sich Gedanken einschleichen, welche die Ärzte für untunlich halten ... all das furchtet, was zu fürchten sie sich nicht leisten können ... ganz im Sinn der Maxime von P. M. S. Blackett: "Man kann keinen Krieg führen im Sturm der Gefühle." Summ einfach diese blöde
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher