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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals
Autoren: Alexander Nemirowski
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Sophonisbe mit Tränen in den Augen. „Nein! Der Vater schickt mich nicht. Ich habe in all den Jahren, während du fern warst, auf dich gewartet. Ich habe zu Melkart gebetet und geopfert, damit er dein Leben beschützt."
    Masinissa wandte sich traurig ab. Er hegte keinen Haß gegen Sophonisbe. Nein, sie war nicht schuld, man hatte sie ebenso belogen wie ihn. Haß und Verachtung verdienen die anderen, die unser Glück wie eine tönerne Schale zerschlagen haben! dachte er.
    „Gib mir deine Hand!" sagte er sanft. „Möge der Wille der Götter geschehen."
    Er hob Sophonisbe auf und sprang hinter ihr in den Sattel. Merges wieherte leise, als er die leichte Berührung von Sophonisbes Händen spürte. Der Wind fuhr in ihr aufgelöstes Haar und wehte eine Strähne an Masinissas Mund. Sie roch nach Erde und Rauch - nach dem Duft seiner Kindheit. Und ihm wurde so leicht ums Herz, als hätte es die langen Jahre des Wartens nicht gegeben, als wäre jene Zeit zurückgekehrt, in der sie gemeinsam aus dem Tempel der Tanit traten. 
     
     
Ein Stern verlischt
     
    Laut sirren die Zikaden. In der Dunkelheit ist nur Merges' helle Gestalt erkennbar. Der Schimmel steht wartend vor dem Zelt, in dem Masinissa seit Sonnenuntergang mit dem römischen Feldherrn spricht. 
    Nach seinem Sieg hat Publius Scipio mit den Karthagern einen Waffenstillstand geschlossen. Darauf bestand das vom Krieg erschöpfte römische Volk. Doch die Karthager brachen den Waffenstillstand, indem sie die römische Proviantflotte ausraubten, die auf eine Sandbank gelaufen war. Der Krieg flammte wieder auf. Zwar trifft Karthago erst die Vorbereitungen zur Entscheidungsschlacht, aber Publius kennt bereits ihren Ausgang, und gemeinsam mit seinen Bundesgenossen verteilt er die Früchte des Sieges.
    Masinissa soll die verschiedenen numidischen Stämme unter seiner Herrschaft vereinigen. Sein Gebiet wird außerdem um die karthagischen Besitzungen vermehrt. Von einem so großen numidischen Reich haben seine Vorfahren, die sich zweihundert Jahre lang in schmachvoller Abhängigkeit von Karthago befanden, nicht zu träumen gewagt. Numidien wird keinerlei Tribute zahlen und keine Reitereinheiten stellen müssen. Kein numidisches Blut soll mehr für fremde Interessen fließen. 
    „Ja!" sagt Masinissa zu Publius Scipio. „Ich bin gewillt, mein Land zu verwandeln, die Nomaden zu Ackerbauern und Gärtnern zu machen. Numidien wird sein eigenes Korn, sein eigenes Öl besitzen." 
    Den schwerwiegendsten Teil der Verhandlung hat Publius bis zum Schluß aufgeschoben. Das ist die Klärung des Privatlebens des künftigen numidischen Königs. Publius weiß: In der Stadt Cirta, die jetzt Masinissa gehört, wohnt Sophonisbe. Wieder stellt sich ihm diese Frau in den Weg! Fünf Jahre lang hat sie Syphax in der Hand gehalten und ihn an Karthago gebunden, und jetzt ist Masinissa in ihrer Macht. Solange Sophonisbe in Cirta weilt, kann ich Masinissa nicht sicher sein! denkt Publius.
    Hinter Felsbrocken und Baumstämmen verborgen, schleicht eine Frauengestalt auf das Zelt zu. Der römische Wachposten, der so weit vom Zelt postiert ist, daß er von der Unterredung nichts verstehen kann, bemerkt sie nicht. Aber Merges hört sie mit seinen scharfen Ohren kommen. Er streckt ihr den schmalen Kopf entgegen und wiehert. 
    „Still, Merges, still!" flüstert Sophonisbe, läuft auf ihn zu und preßt das Gesicht an sein feuchtes Maul.
    Es riecht nach Minze und Wermut, dem Duft der Grassteppe. Eine beruhigende Wärme geht von ihm aus.
    Aus dem Zelt klingt Publius Scipios energische Stimme. Sophonisbe schrickt zusammen und schmiegt sich noch enger an Merges. 
    „Bedenke, Masinissa!" sagt er nachdrücklich. „Es ist uns nicht gleichgültig, wer im Königspalast von Cirta wohnt. Der römische Senat wird es ablehnen, dir die Federkrone zu übergeben, wenn du Sophonisbe heiratest. In diesem Falle würden wir Wermino die Herrschaft überlassen." Er macht eine Pause. Dann fährt er eindringlich fort: „In Rom hat man nicht vergessen, daß du in Iberien gegen uns kämpftest. Du mußt deine Treue zu Rom beweisen."
    Bei diesen harten Worten fällt es Sophonisbe wie Schuppen von den Augen. In den letzten Tagen ist Masinissa immer verschlossener und kühler geworden. „Was hast du, Liebster?" hat sie ihn wiederholt gefragt. Aber er hat nur wortlos die Augen abgewandt, als fürchtete er, sie würde in ihnen etwas lesen, das sie nicht wissen soll. Doch jetzt weiß sie es: Sie steht Masinissa im Wege. Wenn sie
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