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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals
Autoren: Alexander Nemirowski
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damals in Iberien nicht auch gesagt?"
     
     
Feuer
     
    Es war eine dunkle Nacht. Nur selten trat der Mond aus den Wolken und beschien das rechteckige Heerlager mit dem weißen Königszelt in der Mitte. Die Krieger schliefen fest. Am Abend zuvor waren Händler ans Lagertor gekommen und hatten ihnen nahezu umsonst Wein verkauft. Auch die Posten waren eingenickt, auf ihre Speere gestützt. 
    Syphax lag ebenfalls in tiefem Schlafe, erschöpft von den endlosen Verhandlungen mit den Karthagern und den Römern. Es war nicht leicht, zwischen den beiden Todfeinden Frieden zu stiften. Die Karthager glaubten, daß er die Pflicht hätte, sich ganz für ihre Interessen einzusetzen, weil er mit Sophonisbe verheiratet war. Dagegen hatten sie damals, als sie den Krieg gegen Rom begannen, nicht zu ihm gehalten, sondern zu König Gula. Doch nun war Gula gestorben, und sein Sohn Masinissa haßte die Karthager. Auch über den römischen Feldherrn Scipio mußte sich Syphax den Kopf zerbrechen. Er feilschte bei den Friedensverhandlungen um jeden Barren Silber, entschloß sich aber zu keinerlei Zusagen, weil er angeblich schon einen Monat auf einen Sendboten des römischen Senats wartete.
    Der einzige Mensch, der im numidischen Lager nicht schlief, war Sophonisbe. Bei den Verhandlungen zwischen Syphax und dem römischen Feldherrn hatte sie zufällig erfahren, daß Masinissa noch lebte, daß er aus Iberien zurückgekehrt war und im Dienste der Römer stand. Der Vater hatte sie also gewissenlos belogen, nur um sie mit dem Manne zu vermählen, der jetzt an ihrer Seite lag und ihr doch unendlich fremd war. Was verband sie mit ihm? Das Wort, das sie ihrem Vater gegeben hatte, der sein Wort aber gebrochen und sie mit einem Barbaren verheiratet hatte? Oder wurde sie durch ihre schweren goldenen Ringe an Syphax gefesselt? Verzweifelt riß sie sich diese Ringe von den Fingern, aber das war nutzlos. Sie war gefangen.
    Hilflos weinte sie vor sich hin.
    Von allen Seiten krochen die Römer auf das numidische Lager zu, lautlos wie die Schlangen. Sie glitten in den Graben, erklommen den Lagerwall. Ein leiser Pfiff, und schwelende Feuerbrände flogen auf die Schilfdächer. Nach wenigen Minuten standen die Zelte in hellen Flammen. Die Krieger stürzten heraus, halbnackt, verschlafen. Sie ahnten nichts von der Nähe des Feindes und glaubten, das Feuer wäre aus Unvorsichtigkeit entstanden. Es sprang von Zelt zu Zelt über, bald brannte das ganze Lager. Die Flammen wuchsen bis zum Himmel, sie verdeckten die Sterne.
    Die Numidier rannten zu den beiden Toren, viele mit Eimern in der Hand. An den Toren entstand ein großes Gedränge, weil sie viel zu eng waren. Die Flüche der Krieger wurden übertönt vom Geheul der Flammen.
    Von draußen klang das Signal zum Sturm. Die römischen Legionäre sprangen vom Boden auf. Unter schrillen Schreien jagten Masinissas Reiter heran. Die Krieger des Königs Syphax rasten verstört hin und her, ähnlich wie die Ratten auf einem untergehenden Schiff. Überall sahen sie sich dem Tod gegenüber - im Lager würden sie verbrennen und an den Toren unter den Schwertstreichen der römischen Legionäre und der Reiter Masinissas sterben.
    Im karthagischen Lager bemerkte man die Flammen, dort schliefen die Wachen nicht. Doch selbst wenn sie geschlafen hätten, wären sie geweckt worden von dem römischen Spion, der am Tage zuvor ertappt und nach karthagischem Brauch ans Kreuz geschlagen worden war. 
    Gewöhnlich schwiegen die ans Kreuz Geschlagenen, oder sie stöhnten leise vor sich hin, flehten um Wasser oder um den Todesstoß. Doch dieser Spion, der sich weigerte, seinen Namen zu nennen, und standhaft alle Folterungen ertragen hatte, schrie pausenlos, nachdem er am Kreuz hing. Anfangs lauschten die Wachen aus reinem Unterhaltungsbedürfnis seinem Geschrei. Er forderte einen gewissen Publius auf, seinen Landsleuten, den Schiffern, Wein zu geben. 
    „Sei nicht so geizig! Kaufe Falernerwein!" brüllte er. 
    Die Wachen lachten.
    „Er wünscht sich sogar eine bestimmte Weinsorte. Wahrscheinlich ist er Winzer gewesen."
    Die Sinne des Gekreuzigten schienen verwirrt. Er hielt die Raben, die sein Kreuz umkreisten, für Tauben.
    „Tauben der schönen Aphrodite, wollt ihr euch rächen?" stöhnte er. 
    „Ich machte euch zu Boten des Kriegsgottes, dadurch wurde euer Gefieder so schwarz wie Ruß."
    Sein pausenloses Geschwätz ging den Posten allmählich auf die Nerven, und einer warf einen Stein. Der Gekreuzigte wurde still. 
    Doch
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