Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
Vom Netzwerk:
in die Hand. Aber er war wahrlich ein dummer Tropf! Anstatt das Pferd schleunigst zum Königszelt zurückzuführen, aus dem der römische Feldherr jeden Augenblick heraustreten würde, bedankte er sich so weitschweifig und überschwenglich bei den Männern, die es eingefangen hatten, als hätten sie ihm das Leben gerettet. Und als sie ihm den nächsten Weg zum Königszelt zeigten, drückte er sich beiseite und machte einen großen Umweg, als wollte er seiner Strafe entrinnen oder sie mindestens so lange wie möglich hinauszögern.
    Publius Scipio hatte seine Verhandlung mit König Syphax inzwischen wirklich beendet und wartete schon auf seinen angeblichen Sklaven. Er hatte Kylon in der Hoffnung mitgenommen, daß es diesem gelingen würde, beim Besuch im Lager des Feindes herauszufinden, wie viele Zelte darin standen und wie viele Krieger sie enthielten. Aber nie hätte er angenommen, daß Kylon es während der kurzen Unterredung fertigbringen würde, durch das ganze Lager zu laufen und sich überall umzusehen.
    Als Publius Kylon herankommen sah, von mehreren Numidiern gefolgt, bemühte er sich, ein möglichst finsteres Gesicht aufzusetzen, nahm die Peitsche, die Kylon vorsorglich mitgebracht hatte, und ging drohend auf den Sklaven zu. Dabei wurde er Zeuge von Kylons großartiger Schauspielkunst. Worte waren zu schwach, um Kylons ausdrucksvolle Mimik wiederzugeben! Seine unsicheren, ängstlichen Schritte, die vorhängenden Schultern, der einschmeichelnd auf die Schulter gelegte Kopf, die unstet umherirrenden Augen - alles verriet den typischen Sklaven, nicht aber den geschmeidigen Intriganten, wie er in griechischen Komödien vorkommt, sondern den echten römischen Sklaven, der Peitsche und Folter kennt, der vor der Kreuzigung zittert. Publius war von Kylons Spiel derart mitgerissen, daß er unwillkürlich ausholte und ihm eins mit der Peitsche überzog. 
    Als das numidische Lager weit hinter ihnen lag, besann er sich. 
    „Kylon", sagte er leise, „heute hast du dich selber übertroffen. Jeder griechische Schauspieler würde dich um diese darstellerische Leistung beneiden. Verzeih, daß ich die Hand gegen dich erhob." 
    „Kein Herr ohne Peitsche, kein Sklave ohne Narben!" erwiderte Kylon und rieb sich die schmerzende Schulter. „Dein Peitschenhieb gehörte dazu, sonst hätten die Numidier unter Umständen Verdacht geschöpft. Und du sagtest doch selbst: Der beste Plan ist der, von dem der Feind nichts ahnt. Nur schade, daß ich Sophonisbe nicht zu Gesicht bekam. Sie soll so schön sein wie die Göttin Aphrodite, deren Taube dir den Brief brachte."
    „Ohne deine Geschwätzigkeit wärest du nicht mit Gold aufzuwiegen, Kylon", meinte Publius. „Erzähl mir lieber, was du im Lager gesehen hast." „Mit Gold? Nun, Silber würde mir genügen. Man erzählt sich, daß du in Neu-Karthago mehr Silber erbeutet hast, als der Laderaum von drei Schiffen faßt. Und hättest du Neu-Karthago ohne meine Hilfe erobert?"
    „Schweig, Kylon! Vergiß, daß du in Neu-Karthago warst! Für dein Schweigen habe ich dich doch extra bezahlt."
    „Ich schweige schon, ich schweige schon!" brummte der Grieche hastig. „Hör also zu. Syphax hat in seinem Lager zweitausend Zelte, jedes Zelt faßt ungefähr dreißig Krieger. Demnach hat Syphax sechzigtausend Krieger, zu denen du noch die Truppen des nahegelegenen karthagischen Lagers rechnen mußt. Und daß dein eigenes Heer nur aus zwanzigtausend Leuten besteht..."
    „Ja, das weiß ich!" fiel Publius ihm ungeduldig ins Wort. „Hast du im numidischen Lager sonst noch etwas feststellen können?" 
    „Nur, daß die Zelte mit Schilf gedeckt sind und daß höchstens drei Pferde gleichzeitig durch die Lagertore gehen."
    „Warum hast du das nicht gleich gesagt", rief Publius erfreut. „Das ist doch das wichtigste. Du erhältst für jedes Zelt eine Sesterze. Zufrieden?"
    „Und wieviel erhalte ich für die Tore und die Schilfdächer?" 
    „Wenn ich dich auch noch für die Dächer, die Tore und vielleicht gar für jeden einzelnen Krieger bezahlen würde, müßte ich in Kürze betteln gehen."
    „Aber du hast mir doch mein Schweigen bezahlt!" widersprach Kylon unbeirrt. „Dann kannst du auch für die Dächer was springen lassen!" Publius lachte.
    „Du kriegst die Dächer und die Tore bezahlt, wenn du dich ins karthagische Lager schleichst und feststellst, wie viele Krieger es enthält. Das ist das letzte, was ich von dir verlange."
    „Das letzte?" wiederholte Kylon gedehnt. „Hast du das

Weitere Kostenlose Bücher