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Die Eisfestung

Titel: Die Eisfestung
Autoren: Jonathan Stroud
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irgendwann unterhöhlt. Du weißt schon, mit unterirdischen Gängen.«
    »Die hier ist nie erobert worden«, sagte Emily mit einem gewissen Stolz.
    »Stimmt. Aber was ist mit der Ringmauer? Irgendjemand hat sie in Trümmer gelegt. Wer war das?« Er schaute Emily an, wartete auf eine Antwort.
    »Keine Ahnung.«
    »Du weißt das gar nicht?« Der Junge sagte das mit einer Enttäuschung, die Emily etwas nervte. »Manche Heere hatten mächtige Belagerungsgeräte«, fuhr er fort. »Aber sie mussten die Mauern gar nicht immer zerstören. Hast du von den Mongolen gehört? Sie haben irgendwo eine Burg der Christen belagert. In der Türkei, glaub ich. Schafften es nicht hineinzukommen. Weißt du, was sie da gemacht haben?«
    »Nein.«
    »Sie haben die Leichen von mongolischen Kämpfern, die an der Pest gestorben waren, vor die Burg geschafft. Mit schwarzen Pestbeulen übersät. Haben abgewartet, bis die Beulen voller Eiter waren, kurz davor aufzuplatzen...«
    Er machte eine Sekunde Pause, als wartete er darauf, dass Emily etwas sagte. Was sie aber nicht tat.
    »... dann katapultierten sie die Leichen über die Mauern in die Burg. Bald waren auch die ersten Verteidiger von der Pest befallen. Die Seuche verbreitete sich blitzschnell, alle saßen in der Falle. Es gab kein Entkommen. Fast alle starben. Dann zogen die Mongolen ab. Sie waren nicht ins Innere der Burg vorgedrungen, aber das brauchten sie auch nicht mehr. Sie hatten fürchterliche Rache genommen!«
    »Wie eklig!« Emily verzog das Gesicht. Sie war beeindruckt. Der Junge grinste.
    »Und als die Überlebenden nach Europa zurückkehrten, brachten sie die Pest mit. So ist die Seuche dorthin gekommen. Hat sich überall ausgebreitet. Kam alles durch die Belagerung dieser Burg.«
    »Woher weißt du das alles?«, fragte Emily.
    »Hab ich irgendwo gelesen.« Er warf noch einen Schneeball, der nach einem trägen Bogen im Schnee versank. »Liest du nicht gern?«
    »Ja, aber nicht solche Sachen.«
    »Du musst nur mal drauf achten. Solche Geschichten merk ich mir immer.«<
    Emily zuckte mit den Schultern. Der Wind war stärker geworden und sogar im Schutz des Burggrabens spürte sie seine schneidende Kälte, trotz ihrer dicken Jacke. »Na dann«, sagte sie schließlich. »Ich geh jetzt heim. Und das Betreten des Grundstücks hier ist sowieso verboten.«
    »Aber das gehört doch zum Spaß dazu, oder?« Der Junge warf ihr einen schnellen, prüfenden Blick zu. »Hör mal, bevor du gehst, wie wär’s mit einer kleinen Schneeballschlacht? Dann wird dir bestimmt schnell warm. Du kannst der Verteidiger sein. Oder der Angreifer, was dir lieber ist, aber Verteidiger ist bestimmt leichter. Du kannst dich da oben hinstellen, neben das Loch in der Mauer.«
    »Nein danke. Von Schneebällen hab ich für heute genug.«<
    Der Junge wirkte enttäuscht. »Musst du selber wissen. Aber wir hätten bestimmt viel Spaß miteinander. Du könntest siedendes Öl auf mich herunterschütten – du weißt schon, den Schnee mit den Händen hochschaufeln und einfach runterschmeißen! Wenn du mich erwischst, hast du gewonnen. Dann tauschen wir.«
    Emily überlegte. Auf eine Schneeballschlacht hatte sie jetzt wirklich keine große Lust. Aber der Junge war so begeistert von seiner Idee, dass er sie damit schon angesteckt hatte. War bestimmt besser, als sich jetzt allein nach Hause zu verdrücken. Wenn sie ihn mit Schnee beschmiss, konnte sie vielleicht auch etwas von ihrer aufgestauten Wut loswerden.
    »Wie heißt du?«, fragte sie.
    »Marcus. Und du?«
    »Emily – oder einfach Em. Okay, und wie komm ich da rauf?«
    Das Gesicht des Jungen hellte sich auf. »Super! Ist ziemlich steil hier, aber da vorn sind Stufen. So bin ich auch runtergekommen.«
    Emily runzelte die Stirn. »Ich mach doch nicht den ganzen Umweg. Ich klettere hier hoch.«
    Aber sie hatte kaum damit angefangen, als sie Schritte hörte, die durch den vereisten Schnee des Grabens stapften. Sie ließ sich nach unten rutschen und drehte den Kopf. Ein Junge kam auf sie zu.
    Emilys Augen verengten sich. Es war Simon Allen und er hatte ihre Mütze in der Hand.
    Sie stellte sich ihm direkt entgegen und starrte ihn finster an, ihre Arme hingen steif herab. Der Junge war rot im Gesicht und wirkte unbeholfen. Als er bei Emily angekommen war, blieb er stehen und schaute schweigend auf den Schnee vor ihren Füßen. Auch Emily sagte nichts. Sie konnte sehen, wie die Blicke von Marcus zwischen ihr und dem Jungen hin und her wanderten.
    Simon Allen streckte ihr
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