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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit
Autoren: Jodi Picoult
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nächsten Stunden aufhört.«
    »Sie wollen sie einfach nach Hause schicken?«
    »Ja. Sie sollten nicht herumlaufen. Wenn die Blutung bis morgen früh nicht nachgelassen hat oder die Krämpfe stärker werden, kommen Sie wieder.«
    Ich starrte auf den Bildschirm, ganz gebannt von dem kleinen weißen Kreis.
    »Aber der Herzschlag«, hakte Coop nach. »Das ist doch ein positives Zeichen.«
    »Ja. Leider ist die Blutung ein schlechtes.«
    Der Arzt und die Assistentin verließen den Raum. Coop sank auf einen Stuhl neben dem Untersuchungstisch und spreizte die Finger auf meinem Bauch. Ich legte meine Hand darüber. »Ich lasse das Baby nicht los«, sagte ich entschlossen. Und dann ließ ich meinen Tränen freien Lauf.
    Coop wollte mich in seine Wohnung bringen, aber das wäre zu weit gewesen. Und so bestand Sarah darauf, daß ich wieder mit auf die Farm kam. »Sie kommen natürlich auch mit«, sagte sie zu Coop. Er trug mich nach oben in Katies und mein Zimmer und setzte mich sachte auf das Bett.
    Ich sah ihn an und versuchte zu lächeln. »Vielleicht ist es ja gar nichts Schlimmes.«
    Coop befingerte den Rand des Quilts, sah zum Nachttisch, zum Fenster, zu Boden – nur nicht mich an. »Coop«, sagte ich, »tu mir einen Gefallen.«
    »Was du willst.«
    »Ruf Richterin Ledbetter an. Sag ihr, was los ist, nur für alle Fälle.«
    »Herrgott, Ellie, daran solltest du nicht denken.«
    »Aber ich denke nun mal daran. Und es ist wichtig, daß du das für mich tust.«
    Coop schüttelte den Kopf. »Ich laß dich nicht allein.«
    Ich berührte ihn am Arm, flüsterte die Worte, die keiner von uns beiden hören wollte. »Du kannst hier nichts tun.«
    Ich wandte den Blick ab, und gleich darauf hörte ich seine Schritte, als er den Raum verließ. Aber fast im selben Moment ging die Tür wieder auf. Es war Sarah, die mir aus einem Krug ein Glas Wasser einschüttete.
    »Oh«, sagte ich. »Danke.«
    Sie zuckte die Achseln. »Es tut mir leid, daß das passiert ist, Ellie.«
    Ich nickte. Obwohl es für sie sicher nicht leicht war, erneut eine unverheiratete werdende Mutter im Haus zu haben, brachte sie mir Mitgefühl entgegen.
    »Zwischen Katie und Hannah habe ich drei Babys verloren«, sagte Sarah nüchtern. »Ich habe nie verstanden, warum es heißt – ein Baby verlieren. Du weißt genau, wo es ist, nicht wahr? Und du würdest alles tun, damit es bleibt, wo es ist.«
    Ich sah sie an. Diese Frau wußte, wie es war, dem eigenen Körper auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein, wie es war, keine Kontrolle über die eigenen Unzulänglichkeiten zu haben. Es war genau, wie Katie gesagt hatte: es spielte keine Rolle, ob du schuld warst oder nicht, du hattest auf jeden Fall Schuldgefühle. »Ich fühle mich dem Kleinen schon so verbunden«, flüsterte ich.
    »Oh, ja«, erwiderte Sarah. »Und du bist jetzt schon bereit, alles für ihn zu tun.«
    Sie hantierte im Zimmer herum. »Wenn du irgendwas brauchst, rufst du einfach, ja?«
    »Moment noch.«
    Sarah blieb an der Tür stehen.
    »Wie …?« Die Frage kam mir nicht über die Lippen, aber sie verstand auch so.
    »Es ist der Wille des Herrn«, sagte sie leise. »Du stehst es durch. Du kommst nur nie darüber hinweg.«
    Ich mußte eingeschlafen sein, denn das nächste, was ich bewußt registrierte, war, daß die Sonne schon fast unterging und Coop ausgestreckt auf Katies Bett lag. Als ich mich rührte, stand er auf und kniete sich neben mich. »Wie fühlst du dich?«
    »Gut. Die Krämpfe haben aufgehört.«
    Wir blickten einander an, ängstlich. »Ich hab die Richterin angerufen«, sagte Coop, um möglichst rasch das Thema zu wechseln. »Sie hat gesagt, die Geschworenen beratschlagen noch und falls nötig, wartet sie so lange ab, bis du wieder auf den Beinen bist.« Er räusperte sich. »Sie hat auch gesagt, daß sie für dich betet.«
    »Gut«, sagte ich. »Wir können jede Hilfe gebrauchen.«
    »Kann ich dich etwas fragen?« Coop zupfte an einem Faden am Quilt. »Ich weiß, es ist nicht der beste Zeitpunkt, und ich weiß, ich habe versprochen, es nicht zu tun, aber ich möchte, daß du mich heiratest. Ich bin kein Anwalt, ich habe also keine raffinierten Argumente, um dich zu überzeugen. Aber als Katie mich heute aus dem Krankenhaus angerufen hat, bekam ich keine Luft mehr. Ich dachte, du hättest einen Unfall gehabt. Und dann sagte sie, es ginge um das Baby, und ich habe nur gedacht, Gott sei Dank. Gott sei Dank nicht Ellie.
    Ich finde es selbst schrecklich, daß ich diesen Gedanken gehabt
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