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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit
Autoren: Jodi Picoult
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erstens, daß sie den Mord geplant haben muß. Doch Sie haben gehört, daß die Amischen grundsätzlich gegen Gewalt sind; sie würden niemals etwas tun, bei dem sie Hochmut über Demut oder eine individuelle Entscheidung über die Regeln der Gemeinschaft stellen müßten. Vorsatz impliziert zweitens, daß Katie den Tod des Babys wollte. Doch Sie haben mit eigenen Augen den Ausdruck in Katies Gesicht gesehen, als sie den Vater ihres Kindes zum ersten Mal wiedersah, als sie Ihnen gesagt hat, daß sie ihn geliebt hat. Vorsatz impliziert drittens, daß sie ihr Baby absichtlich getötet hat. Doch hier wurde schlüssig nachgewiesen, daß die Todesursache aller Wahrscheinlichkeit nach eine Infektion während der Schwangerschaft war – eine Tragödie, aber dennoch ein Unfall.
    Es ist Aufgabe der Anklage, Ihnen zu beweisen, daß Katies Baby ermordet wurde. Meine Aufgabe ist es, Ihnen vor Augen zu führen, daß es außer Mord noch einen anderen triftigen, realistischen, möglichen Grund für den Tod von Katies Neugeborenem geben könnte. Wenn Sie auch nur den geringsten Zweifel hegen, haben Sie keine andere Wahl, als Katie freizusprechen.«
    Ellie ging zu Katie und stellte sich hinter sie. »Ich wünschte, ich könnte Ihnen sagen, was am Morgen des zehnten Juli geschehen ist oder nicht«, wiederholte sie, »aber das kann ich nicht. Und wenn ich es nicht genau weiß – wie können Sie es dann wissen?«
    »Ms. Hathaway hat recht – aber nur in einem Punkt. Katie Fisher weiß nicht genau, was an jenem Morgen geschehen ist.«
    George ließ den Blick über die Gesichter der Geschworenen gleiten. »Sie weiß es nicht, und sie hat es zugegeben – genau, wie sie zugegeben hat, ihr Baby getötet zu haben.«
    Er stand auf, die Hände auf dem Rücken gefaltet. »Doch wir sind nicht auf die Erinnerungen der Angeklagten angewiesen, um die Wahrheit Stück für Stück zusammenzusetzen, weil die Fakten in diesem Fall für sich sprechen. Wir wissen, daß Katie Fisher ihre Eltern über Jahre hinweg belogen hat, wenn sie heimlich die Welt außerhalb ihrer Gemeinde besuchte. Wir wissen, daß sie ihre Schwangerschaft verborgen gehalten hat, heimlich das Kind zur Welt gebracht hat, das blutbefleckte Stroh zugedeckt und den Leichnam ihres Neugeborenen versteckt hat. Der Obduktionsbericht sagt uns, daß das Baby um den Mund herum Blutergüsse hatte, die daher rühren, daß es erstickt wurde, daß sich tief in seinem Rachen Baumwollfasern befanden, daß der Gerichtsmediziner Tod durch Gewalteinwirkung diagnostiziert hat. Uns liegen die forensischen Beweise vor – die DNA-Tests, die eindeutig ergeben haben, daß die Angeklagte und nur die Angeklagte am Tatort war. Wir kennen das psychologische Motiv – Ms. Fishers Angst, aus ihrer Familie verstoßen zu werden, wie ihr Bruder, weil sie ein uneheliches Kind zur Welt gebracht hatte. Wir können uns noch einmal das Protokoll der Aussage der Angeklagten vorlesen lassen und hören, wie sie gesteht, ihr Kind getötet zu haben – ein freiwilliges Geständnis, das die Verteidigung anschließend verzweifelt umzuinterpretieren suchte.«
    George wandte sich Ellie zu. »Ms. Hathaway will Sie glauben machen, daß das Verbrechen undenkbar ist, weil die Angeklagte amisch ist. Aber amisch zu sein ist eine Glaubensform, keine Entschuldigung. Ich habe schon erlebt, wie fromme Katholiken, orthodoxe Juden und strenggläubige Muslime grausamer Verbrechen überführt wurden. Ms. Hathaway möchte Sie ebenfalls glauben machen, daß das Neugeborene eines natürlichen Todes gestorben ist. Aber warum wurde das Baby dann eingewickelt unter einem Stapel Decken versteckt – als ob eine Tat vertuscht werden sollte? Die Verteidigung hat dafür keine schlüssige Erklärung; sie hat lediglich eine weit hergeholte Theorie über eine bakterielle Infektion, die bei dem Neugeborenen zum Atemstillstand geführt haben könnte. Ich wiederhole: geführt haben könnte . Vielleicht aber sollte damit nur die Wahrheit vertuscht werden: daß Katie Fisher am zehnten Juli auf der Farm ihrer Eltern in den Stall ging und ihr Neugeborenes vorsätzlich erstickte.«
    Er richtete den Blick auf Katie, dann wieder auf die Geschworenen. »Ms. Hathaway möchte Sie darüber hinaus eine weitere Unwahrheit glauben machen – daß Katie Fisher an dem Morgen die einzige Augenzeugin war. Aber das trifft nicht zu. Es war noch ein Kind dabei, ein Neugeborenes, das hier nicht für sich sprechen kann, weil es von seiner Mutter zum Schweigen gebracht
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