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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit
Autoren: Jodi Picoult
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anderem zu helfen, obwohl sie doch innerlich unter Hochspannung stehen mußte. »Macht dir das nichts aus?« fragte ich schließlich. Katie ließ den Lappen in den Eimer gleiten. »Wenn ich dauernd darüber nachgrübele, wird es auch nicht schneller gehen.«
    »Wenn ich mit einem Schuldspruch wegen Mordes rechnen müßte, würde ich nicht noch für jemand anderen die Fenster putzen«, gestand ich.
    Katie wandte sich mir zu, die Augen klar und voller Frieden. »Annie braucht heute Hilfe.«
    »Morgen brauchst du vielleicht welche.«
    Sie blickte hinaus in den Hof. »Dann werden morgen all die Leute da draußen für mich da sein.«
    Ich hoffte für sie, daß sie recht behielt. Ich legte meinen Lappen auf dem Eimerrand ab. »Bin gleich wieder da.«
    Katie unterdrückte ein Lächeln; meine ständigen Toilettenbesuche waren zu einem unerschöpflichen Quell der Erheiterung geworden. Doch es war alles andere als komisch, als ich mich setzte, nach unten schaute und sah, daß ich blutete.
    Sarah fuhr mich in ihrer Kutsche zum Krankenhaus, demselben, in das Katie am Tag nach der Niederkunft gebracht worden war. Während ich auf der Rückbank durchgerüttelt wurde, versuchte ich mir einzureden, daß Schwangere so etwas ständig erlebten. Ich preßte eine Faust auf meinen von Krämpfen gepeinigten Unterleib, während Katie und Sarah vorn auf der Bank auf deitsch miteinander tuschelten.
    In der Notaufnahme wurde ich von allen Seiten mit Fragen bombardiert. War ich schwanger? Im wievielten Monat? Eine Krankenschwester wandte sich an Katie und Sarah, die sich sichtlich unbehaglich fühlten: »Sie sind Angehörige?«
    »Nein. Freundinnen«, antwortete Katie.
    »Dann muß ich Sie bitten, draußen zu warten.«
    Sarah fing meinen Blick auf. »Es wird alles gut.«
    »Bitte«, flüsterte ich. »Sag Coop Bescheid.«
    Der Arzt hatte lange weiße Finger, die mich an zarte Blumen erinnerten. »Wir machen zuerst einen Bluttest, um jeden Irrtum hinsichtlich der Schwangerschaft auszuschließen«, sagte er. »Anschließend machen wir dann einen Ultraschall und schauen uns an, was los ist.«
    Ich stützte mich auf die Ellbogen. »Was könnte denn los sein?« fragte ich mit mehr Kraft, als ich mir noch zugetraut hätte. »Sie müssen doch einen Verdacht haben.«
    »Nun, die Blutung ist ziemlich stark. Nach dem Datum ihrer letzten Regel gerechnet, sind Sie vermutlich in der zehnten Woche. Es könnte sich um eine Extrauterinschwangerschaft handeln, was sehr gefährlich wäre. Wenn nicht, kann es auch sein, daß es sich um einen spontanen Abort handelt.« Er sah mich an. »Fehlgeburt.«
    »Sie müssen das verhindern«, sagte ich ruhig.
    »Das können wir nicht. Falls die Blutung nachläßt oder von selbst aufhört, ist das ein gutes Zeichen. Falls nicht … nun. »Er hakte sich sein Stethoskop um den Hals. »Bald wissen wir mehr. Versuchen Sie einfach, sich auszuruhen.«
    Ich nickte, legte mich zurück, konzentrierte mich darauf, nicht zu weinen. Weinen würde mir nicht guttun. Ich blieb völlig reglos, atmete flach. Ich durfte das Kind nicht verlieren. Auf keinen Fall.
    Coops Gesicht war gespenstisch weiß, während die technische Assistentin mir den Bauch mit Gel einstrich und mir etwas, das aussah wie ein Mikrofon, auf die Haut preßte. Auf dem Computerbildschirm fing ein keilförmiges Gebilde an, sich zu bewegen und zu verändern. »Da«, sagte die Assistentin und markierte einen ganz winzigen Kreis.
    »Jedenfalls ist es keine Eileiterschwangerschaft«, sagte der Arzt. »Vergrößern.«
    Die Assistentin vergrößerte den Bereich. Es sah aus wie ein grobkörniger weißer Kringel mit einem schwarzen Punkt in der Mitte. Ich schaute den Arzt und die Assistentin an, aber sie sagten kein Wort. Sie starrten auf den Bildschirm, auf irgend etwas, das offenbar nicht stimmte.
    Die Assistentin drückte fester gegen meinen Bauch, rollte den seltsamen Stab hin und her. »Aha«, sagte sie schließlich.
    Der schwarze Punkt pulsierte rhythmisch. »Das ist der Herzschlag«, sagte der Arzt.
    Coop nahm meine Hand. »Das ist gut, nicht wahr? Das heißt, daß alles in Ordnung ist?«
    »Wir wissen nicht, wieso es zu einer Fehlgeburt kommt, Dr. Cooper, aber bei fast einem Drittel der Schwangeren passiert das während der ersten Wochen. Normalerweise weil der Embryo nicht lebensfähig ist, insofern ist es so am besten. Ihre Frau hat noch immer starke Blutungen. Wir können im Augenblick nichts anderes tun, als sie nach Hause schicken und hoffen, daß die Blutung in den
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