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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit
Autoren: Jodi Picoult
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wollten Sie als Zeugin in Ihrem Prozeß aussagen?«
    Katie blickte auf. »Um die Sünde zu bekennen, die mir vorgeworfen wird.«
    »Aber es geht um Mord«, sagte Ellie. »Das bedeutet, daß Sie Ihr Baby vorsätzlich getötet haben, daß Sie wollten, daß es stirbt. Stimmt das?«
    »Nein«, flüsterte Katie.
    »Sie wissen doch, daß die Geschworenen Sie für schuldig halten würden, wenn Sie heute hier sagen, daß Sie Ihr Baby getötet haben, Katie. Wieso wollten Sie es trotzdem?«
    »Das Baby ist tot, meinetwegen. Es spielt keine Rolle, ob ich es erstickt habe oder nicht, es ist tot wegen etwas, das ich getan habe. Ich muß dafür bestraft werden.« Sie wischte sich mit dem Saum ihrer Schürze über die Augen. »Ich wollte, daß alle sehen, wie leid es mir tut. Ich wollte bekennen«, sagte sie leise, »weil mir nur so vergeben werden kann.«
    Ellie stützte sich auf den Rand des Zeugenstandes, so daß sie allen anderen kurz den Blick versperrte. »Ich vergebe dir«, sagte sie so leise, daß nur Katie es hören konnte, »wenn du mir vergibst.« Dann drehte sie sich zur Richterin um. »Keine weiteren Fragen.«
    »Also, das ist ja mittlerweile alles ziemlich verworren«, sagte George. »Sie haben das Baby getötet, aber Sie haben es nicht ermordet. Sie wollen bestraft werden, damit Ihnen für etwas vergeben wird, das sie gar nicht getan haben.«
    »Ja.« Katie nickte.
    George zögerte einen Moment, als würde er sich das alles noch einmal durch den Kopf gehen lassen. »Was ist also mit dem Baby passiert?«
    »Ich habe es krank gemacht, und es ist gestorben.«
    »Sie wissen, daß der Pathologe gesagt hat, das Baby sei infiziert worden, aber er hat eingeräumt, daß es an mehreren Ursachen gestorben sein könnte. Haben Sie gesehen, daß das Baby aufhörte zu atmen?«
    »Nein. Ich habe geschlafen. Ich kann mich nicht erinnern, was passiert ist, bis ich wieder wach wurde.«
    »Sie haben das Baby nicht mehr gesehen, nachdem Sie aufgewacht waren?«
    »Es war nicht mehr da«, sagte Katie.
    »Und wir sollen Ihnen glauben, daß Sie nichts damit zu tun hatten?« George trat näher an sie heran. »Haben Sie das Baby in eine Decke eingewickelt und versteckt?«
    »Nein.«
    »Aha. Eben haben Sie noch gesagt, Sie könnten sich an nichts erinnern.«
    »Kann ich auch nicht!«
    »Dann können Sie strenggenommen auch nicht mit Sicherheit sagen, daß Sie das Baby nicht versteckt haben.«
    »Nein, wohl nicht«, sagte Katie sichtlich verwirrt.
    George sah aus wie ein Raubtier. »Und strenggenommen können Sie auch nicht mit Sicherheit sagen, daß Sie das Baby nicht erstickt haben.«
    »Einspruch!«
    »Ich ziehe den letzten Satz zurück«, sagte George. »Keine weiteren Fragen.«
    Ellie fluchte leise. Ausgerechnet Georges üble Mutmaßung mußten die Geschworenen zum Schluß der Zeugenvernehmung hören. »Die Verteidigung hat keine weiteren Zeugen, Euer Ehren«, sagte Ellie. Sie sah zu, wie Katie den Zeugenstand verließ und mit vorsichtigen Schritten den Raum durchquerte, als wäre ihr jetzt klargeworden, daß selbst etwas so Verläßliches wie der feste Boden unter ihren Füßen jeden Augenblick ins Wanken geraten konnte.
    »Wissen Sie«, sagte Ellie zu den Geschworenen. »Ich wünschte, ich könnte Ihnen sagen, was genau in den frühen Morgenstunden des zehnten Juli im Stall der Fishers geschehen ist, aber das kann ich nicht. Ich kann es nicht, weil ich nicht dabei war. Ebensowenig wie Mr. Callahan oder einer von den Sachverständigen, die Sie in den letzten Tagen hier gehört haben.
    Nur eine einzige Person war tatsächlich dabei – Katie Fisher, die heute ebenfalls hier zu Wort gekommen ist. Katie, eine junge amische Frau, die sich nicht genau erinnern kann, was an jenem Morgen passiert ist, Katie, die hier, von Schuldund Schamgefühlen gequält, gesprochen hat, weil sie überzeugt ist, daß sie aufgrund der im Uterus erfolgten Übertragung einer Krankheit auf ihren Fetus für den Tod des Babys verantwortlich ist. Katie, die so verzweifelt über den Verlust ihres Kindes ist, daß sie glaubt, eine Strafe verdient zu haben, auch wenn sie unschuldig ist. Katie, die sich Vergebung für etwas wünscht, das sie nicht absichtlich getan hat.«
    Ellie fuhr mit der Hand über das Geländer der Geschworenenbank. »Und daß bei ihr keine Absicht vorgelegen hat, ist äußerst wichtig. Denn um Katie des Mordes schuldig zu sprechen, muß die Staatsanwaltschaft Sie davon überzeugen, daß Katie ihr Kind vorsätzlich getötet hat. Vorsatz impliziert
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