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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons
Autoren: Patricia Holland Moritz
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dem Plakat zu erkennen und wäre vor Anstrengung fast vom Barhocker gefallen, als ihr Handy klingelte.
    Â»Ich sage es ungern, aber dein Verdacht hat sich bestätigt. Zumindest sieht es für mich danach aus.«
    Im selben Moment hatte sie Andrew Cascone, den neuen Stern am Berliner Kunsthimmel und ihren heimlichen Internetflirt, vergessen und drückte den Hörer nah an ihr Ohr.
    Â»Mark!«
    Sie spürte, wie er mit sich gerungen haben musste, um überhaupt zum Hörer zu greifen. In dem Telefon, das er gerade benutzte, war ihre Nummer als einzige gespeichert, und er hatte es nur dann bei sich, wenn sich für ihn eine der seltenen Gelegenheiten ergab, Rebekka zu treffen.
    Sie saß im Hackendahl , nippte an ihrem Bier und gab dem Barkeeper das Ichmöchtezahlen-Zeichen. Den Hörer noch immer ans Ohr gepresst, legte sie die Berliner Zeitung zur Seite und saß kerzengerade.
    Â»Was ist passiert?«
    Mark atmete hörbar aus. Sie sah ihn vor sich und verspürte sofort das vertraute Kribbeln, für das ihr allein seine Stimme genügte.
    Â»Du willst es hören, ja?«
    Â»Was auch immer es ist. Wird ja wohl etwas Wichtiges sein.«
    Natürlich genoss Rebekka den Moment. Aber mehr noch: Sie ahnte, dass Mark sie nun auf Augenhöhe betrachtete, und das war in Ergänzung dazu, dass sie seine Geliebte war, ein vielversprechender Umstand.
    Â»Es gibt wieder einen Todesfall in dieser Firma. Ein Mann, Ende 50. Lag neben einer Werkbank in der Halle mit den Metallabfällen. Du … hör mal … Rebekka …«
    Â»Wie ist er gestorben?«, unterbrach sie ihn.
    Â»â€¦ ich hab das nur bei den Kollegen, die vor Ort waren, mitgehört. Seit du mir davon erzählt hast, geht mir die Firma nicht mehr aus dem Kopf, und nun höre ich den Namen nur noch. Hast mich halt aufgeschreckt mit deinem Verdacht …«
    Â»Wie ist er gestorben, Mark?«
    Rebekka wurde ungeduldig. Jenes ungute Gefühl, das ihr so oft die Luft zum Atmen nahm, machte sich wieder in ihr breit. Dieses wie Hinter-schalldichtem-Glas-Sitzen. Alle können einen sehen, doch die Zeichen nicht verstehen. Worte verhallen ungehört und sind nur als Mundfratzen sichtbar. Es wird abgewinkt und weitergegangen.
    Â»Offenbar wie 18 andere vor ihm.«
    Â»Es waren … 18? Du hast die Zahl?«
    Â»Der Letzte war offenbar der Tropfen, der das Fass … Ach Kleines, du weißt schon. Es geschehen Grausamkeiten am laufenden Band, und dann gibt es diesen einen Vorfall … und die ganze Chose kocht hoch.«
    Rebekka schloss die Augen und holte tief Luft.
    Â»Vielleicht hattest du ja doch den richtigen Riecher«, sagte Mark vorsichtig, da er das Brodeln am anderen Ende der Leitung beinah körperlich spüren konnte.
    Nein. Ich lese Zeitung und bemerke alle zwei Wochen eine Traueranzeige immer derselben Berliner Recyclingfirma.
    Â»Vielleicht handelt es sich aber auch um Todesfälle, die keinerlei kriminellen Hintergrund haben, und den Ärger, der dann folgt, willst du nicht haben.«
    Â»Aber das alles kann doch kein Zufall sein!«
    Mark am anderen Ende schlug einen väterlichen Ton an.
    Â»Wir müssen vorsichtig sein.«
    Seit sie sich kannten, hatte er vermieden, von »wir« und »uns« zu sprechen. Es war für beide eine Variante des Vermeidens von Versprechen, die nicht gehalten werden würden.
    Â»18 verstorbene Mitarbeiter einer Firma in zwei Jahren sind kein Umstand, anhand dessen sich eine polizeiliche Ermittlung durchführen lässt. Einer von uns beiden muss über eine bedenkliche Art von Fantasie verfügen, um hier eine Mordserie zu erkennen.«
    Â»Dann sind es jetzt 19«, sagte Rebekka unbeirrt und malte sich ein Gesicht hinter jeder einzelnen Ziffer aus. 19 Mal geboren werden, aufwachsen, rebellieren, sich fügen, planen, lieben, hassen und zu früh für alles sterben.
    Â»Außerdem ist es unlogisch, dass ein Mörder seine Opfer per Annonce anzeigt.«
    Rebekka schreckte aus ihren Gedanken hoch.
    Â»Genau diese Frage habe ich mir zuerst gestellt. Und auch sofort die Antwort gefunden.«
    Â»Die da wäre?«
    Â»Dass die Firma jeden Todesfall zur Traueranzeige macht und damit in die Öffentlichkeit bringt, ist ein Zeichen dafür, dass es sich bei den Verstorbenen um vorschriftsmäßig angestellte Leute gehandelt hat. Und wenn ein Mitarbeiter stirbt, dann kommt das in die Zeitung. Zumindest bei
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