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Die Eifelgraefin

Die Eifelgraefin

Titel: Die Eifelgraefin
Autoren: Petra Schier
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machen, in dem er aufgewachsen war und das sein Vater nach dem Brand mit stoischer Tatkraft wiederaufgebaut hatte.
    Martin blieb vor der Tür zum Keller stehen, in dem hauptsächlich alte Möbel eingelagert wurden. Er war schon eine Weile nicht mehr in dem Gewölbe gewesen, das als Einziges das Feuer damals unbeschadet überstanden hatte.
    Aus einem plötzlichen Impuls heraus holte er eine große Öllampe und stieg die steinernen Stufen hinunter. Es roch etwas muffig und nach Steinstaub. Kisten und Möbel waren auf der rechten Seite ordentlich gestapelt. Ein Lächeln trat auf Martins Lippen, als er die Bank mit der kleinen Schatztruhe erblickte, die noch genauso dastand, wie er sie als Junge vor vielen Jahren zurückgelassen hatte. Als Kind hatte er oft hier unten gespielt, und seine Mutter hatte nichts verändert. Wozu auch, wurde der Keller doch kaum genutzt, sah man einmal von den Mieten für Kohl, Rüben und Äpfel ab, die gleich neben der Treppe untergebracht waren.
    Er stellte die Lampe auf der Bank ab, klappte den Deckel der Truhe hoch und entnahm ihr die rotbraune Gugel, die er jahrelang jeden Winter getragen hatte. Sie war an den Rändern bereits arg ausgefranst. Darunter verbargen sichdie Schätze, die er als Junge zusammengetragen hatte: ein Messerchen, einige seltsam geformte Steine, ein Feuereisen, Zunder und einen Feuerstein, geschnitzte Holztiere und zuunterst ein Leinenbeutelchen, das er nun vorsichtig hervorzog. Wie lange hatte er es schon nicht mehr in der Hand gehabt! Neugierig zog er die Verschnürung auf und ließ dann die silberne, mit roten und blauen Edelsteinen verzierte Kette aus dem Beutel in seine Handfläche gleiten.
    Er hielt sie ins Licht und betrachtete sie eingehend. Im Alter von acht oder neun Jahren hatte er sie in einem geheimen Versteck hinter einem Stein des Gewölbes gefunden, jedoch nie jemandem davon erzählt. Er vermutete, dass einer seiner Vorfahren die Kette dort versteckt hatte, und da sie nicht nur schön und wertvoll war, sondern ihn auch immer ein seltsam tröstliches und sicheres Gefühl überkam, wenn er sie in der Hand hielt, hatte er beschlossen, sie als Glücksbringer zu behalten.
    Auch jetzt fühlte sie sich nicht kalt an, wie man es bei einer Kette aus massivem Silber erwarten würde, sondern angenehm warm. Sorgsam ließ er sie wieder in den Beutel gleiten, verschloss ihn und legte ihn zurück in die Truhe. Er wusste nicht recht, warum, aber er verspürte plötzlich den Wunsch, das geheime Versteck, aus dem er die Kette einst geborgen hatte, noch einmal zu öffnen. Er schob einen alten Schrank zur Seite, nahm einen ausgedienten Schürhaken zu Hilfe und stemmte den bewussten Stein aus dem alten Gemäuer. Mörtel rieselte zu Boden.
    Mit der Lampe leuchtete Martin die schmale Öffnung aus und zog zwei mit Klammern zusammengehaltene Kladden und einige Pergamente hervor, die er vor etwa zehn Jahrendort deponiert hatte. Mit einem Anflug von Wehmut betrachtete er sie, legte sie dann jedoch sorgsam zur Seite und griff erneut in das Geheimfach. Als Nächstes beförderte er zwei Lederbeutel hervor, die je fünfzig Silber- und Goldmünzen enthielten und die er nur in größter Not anzurühren gedachte. Zuletzt förderte er noch einige Besitzurkunden zutage sowie mehrere alte Schriftstücke, die er ebenfalls schon als Junge gefunden, jedoch nie weiter beachtet hatte, da sie allesamt in Latein verfasst waren. Als Kind hatten ihn diese Pergamente zwar fasziniert, da er sie jedoch nicht lesen konnte, hatte er sich mit viel Phantasie selbst deren Inhalt ausgemalt. Von Piraten, Kriegen und großen Heldentaten hatten jene Träume gehandelt. Als Martin die Schriftstücke jetzt musterte, hielt er sie eher für alte Geschäftskorrespondenz   – Briefe, die einer seiner Vorfahren aufgesetzt hatte, und etwas, das aussah wie ein Testament. Dies weckte nun doch seine Aufmerksamkeit, und da er inzwischen die lateinische Sprache einigermaßen zu lesen verstand, runzelte er alsbald überrascht die Stirn.
    Ein merkwürdiges Gefühl überkam ihn, als er die Unterschrift entzifferte. Sie lautete: Maternus von Wied, Sohn von Radulf und Maria. Als er den Inhalt des Schreibens genauer studierte, erfasste ihn eine heftige Erregung. Von einem Kruzifix war da die Rede, welches große Macht besitzen sollte, und von einem Schwur, den sein Ahnvater – jener Radulf von Wied – einst im Heiligen Land geleistet hatte. Nicht alles verstand Martin, dazu waren seine Kenntnisse der alten Sprache doch zu
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