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Die Eifelgraefin

Die Eifelgraefin

Titel: Die Eifelgraefin
Autoren: Petra Schier
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Moment. «Und du bist als einziger der Männer meines Vetters Siegfried noch am Leben», setzte er nach einem Moment des Schweigens hinzu. «Du hast Eginolf und mir mehr als einmal das Leben gerettet, ebenso wie wir dir. Das verbindet uns. Und deshalb sollst du auch mit Eginolf zurück in die Heimat gehen. Wenn ich auch hierbleibe, so hast du doch das Recht, deine Familie wiederzusehen.»
    Jost blickte verlegen zwischen den beiden Rittern hin und her. Offenbar wusste er nicht, was er darauf antworten sollte.
    Eginolf übernahm das Wort: «Wir hatten den Sarazenen nicht viel entgegenzusetzen, doch einige wenige Schätze konnten wir ihnen dennoch entreißen. So wie diesen hier.» Er öffnete den Beutel und entnahm ihm ein handspannenlanges silbernes Kruzifix, das in einen ovalen, mit kleinen roten und blauen Edelsteinen besetzten Rahmen eingefasst war und an der Oberseite eine Öse besaß, durch die eine Kette aus feingearbeiteten und ebenfalls mit Edelsteinen besetzten Gliedern gezogen war.
    «Dies muss eine bedeutende Reliquie sein», meinte Eginolf und hielt das Kreuz bewundernd und voller Ehrfurcht ins Licht. «Spürt ihr die Kraft, die davon ausgeht? Und sie fühlt sich warm an, als sei sie lebendig.»
    Radulf berührte die Kette und nickte, und auch Jost legte vorsichtig seine Hand auf das Kreuz. Im gleichen Moment zuckte ein greller Blitz auf, und die Männer fuhren erschrocken auseinander.
    «Habt ihr das gesehen?», rief Radulf begeistert.
    Eginolf nahm das Kruzifix vorsichtig in die andere Hand. «Es ist ganz heiß geworden. Das ist der Beweis! Dies ist eine göttliche Reliquie! Ganz sicher ist sie von unermesslichem Wert.»
    «Aber was wollt Ihr damit machen, Herr Eginolf? Wollt Ihr sie verkaufen?» Jost blickte argwöhnisch auf das Kruzifix.
    «Aber nein, ein Kleinod wie dieses darf man nicht einfach verkaufen», widersprach Eginolf. «Wir teilen es. Seht ihr, das Kreuz lässt sich aus dem Rahmen herauslösen. Ein jeder von uns nimmt ein Stück als Glücksbringer und Unterpfand für seinen zukünftigen Wohlstand. Wir werden einander versprechen, keines der drei Teile jemals zu verkaufen. Sie sollen uns schützen, denn das ist doch der Sinn einer Reliquie. Und ihr habt gespürt, dass das Kreuz diese Kraft besitzt, nicht wahr?»
    Jost und Radulf nickten.
    Eginolf reichte Jost das Kruzifix, zog die Kette aus der Öse und reichte sie Radulf. Dann schob er den ovalen Rahmen zurück in seinen Beutel.
    «Dieser Kreuzzug hat viele unnötige Opfer gefordert», sagte er mit feierlicher Stimme. «Ob Ritter, einfache Soldaten oder Knechte – diese Zeiten haben Mauern eingerissen und Grenzen verwischt. Sie haben Männer zusammengeführt und Freundschaften wachsen lassen, die es daheim niegegeben hätte. Doch genau in diese Heimat kehren wir – wenigstens zwei von uns – mit Gottes Hilfe nun bald wieder zurück. Lasst uns deshalb geloben, dass wir, unsere Familien und unsere Nachkommen einander immer wohlgesonnen und in Freundschaft verbunden sein werden, ganz gleich, wie unser Schicksal spielt oder», er blickte auf Radulf, «wo es uns hinführen wird.»
    Die drei Männer sahen einander lange an, dann nickten sie und legten die Hände zum Schwur aufeinander.
    In diesem Moment kam ein Reiter durch das Zeltlager gesprengt. Die Hufe seines Streitrosses wirbelten eine Wolke von Sand und Staub auf. «Aufbruch!», brüllte er. «Bereitet alles zum Aufbruch vor! Es geht nach Hause, Männer. Morgen bei Sonnenaufgang ziehen wir nach Konstantinopel!»

1.   KAPITEL
    Kohlstraße, kurz vor Kempenich
    5. September im Jahre des Herrn 1348
    Rumpelnd und polternd rollte der geschlossene Reisewagen über den von dichtem Unterholz gesäumten Waldweg. Kaum ein Lichtstrahl drang durch die Wipfel der hohen Tannen, und der wolkenverhangene Himmel tat sein Übriges. Elisabeths Stimmung war auf dem Tiefpunkt.
    Jeder Stein, jede Unebenheit ließ den Wagen holpern, und jeder Stoß ließ die Zähne der jungen Frau auf der Sitzbank hart aufeinanderschlagen. Der Kopf tat ihr davon bereits weh, sie stützte sich, seit sie am Morgen die Herberge in Mayen verlassen hatten, umständlich mit beiden Händen auf ihrem ungemütlichen Sitz ab, um ihr malträtiertes Rückgrat zu entlasten. Es musste bereits später Nachmittag sein, doch das diffuse Licht in diesem nicht enden wollenden Eifelwald ließ keine genauere Zeitbestimmung zu.
    Mehrfach hatte Elisabeth versucht, die vorüberziehende Landschaft zu betrachten und sich so abzulenken, doch durch das
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