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Die Eifelgraefin

Die Eifelgraefin

Titel: Die Eifelgraefin
Autoren: Petra Schier
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kleine Fensterchen des Reisewagens sah sie nur Büsche und Baumstämme. Sie sehnte sich danach, auszusteigen und sich die Beine zu vertreten, doch der Fuhrknecht Herrmann, der den Wagen lenkte, würde ihr diesenGefallen ganz sicher nicht tun. Mitten im Wald anzuhalten war gefährlich; nicht umsonst hatte ihr Vater ihr drei bewaffnete Männer zum Schutz mitgegeben.
    Wenn sie wenigstens reiten dürfte! Doch sie hatte ihre hübsche Fuchsstute zu Hause lassen müssen. Mit Bedauern dachte sie an den weichen Gang des Pferdes und verlagerte ihr Gewicht ein wenig nach vorne, um aus dem Fenster sehen zu können. Gleich neben dem Wagen ritt Bruder Georg, ihr Beichtvater. Selbst er durfte auf einem Maulesel reisen, dachte sie mit leisem Groll. Sie selbst teilte sich den Platz im Wagen mit Kisten und Kästen, die hauptsächlich ihre Kleider enthielten.
    Niemand wusste, wie lange sie fort sein würde, deshalb hatte ihre Mutter veranlasst, so gut wie all ihre Habseligkeiten einzupacken. Lise, Elisabeths ehemalige Amme und Kinderfrau, hätte sie begleiten sollen, doch sie war drei Tage vor der Abreise an einem plötzlichen Lungenfieber gestorben. Und da die übrigen Mägde alle gebraucht wurden, war Elisabeth ohne weibliche Begleitung abgereist.
    Sie hielt sich am Türgriff fest und beugte sich vorsichtig aus dem Fenster, wobei sie achtgeben musste, dass ihr Kopf nicht bei einer erneuten Bodenwelle gegen den Rahmen geschleudert wurde.
    «Wie weit ist es noch, Bruder Georg?», rief sie dem hageren Benediktinermönch zu, der ihrem Vater, dem Graf Friedebold von Küneburg, nun schon seit über fünfundzwanzig Jahren als Hausgeistlicher diente.
    Der Mönch lenkte sein Maultier näher an den Reisewagen heran. «Nicht mehr sehr weit», antwortete er. «Seht Ihr die Kreuzung dort vorne? Herr Bastian erklärte mir vorhin,dass sich dort sechs Wege treffen. Von da aus ist es nur noch ein Katzensprung nach Kempenich.»
    ***
    Die Stadt war noch kleiner, als Elisabeth erwartet hatte. Genau genommen war sie nicht viel mehr als ein von einer Stadtmauer umgebenes Dorf mit einem winzigen Marktplatz zu Füßen der allerdings recht ansehnlichen und wehrhaften Kirche. Die Burg lag am Steilhang eines Berges im Süden. Zwar war der Weg dorthin nicht befestigt, jedoch von vielen Fuhrwerken breit ausgefahren, und führte an einer hübschen kleinen Kapelle vorbei. Das winzige Gotteshaus weckte kurz Elisabeths Aufmerksamkeit, denn es stand im Schatten einer offenbar schon uralten Linde, deren ausladende Äste das kleine Gebäude zu behüten schienen. Wenig später hatten sie die Vorburg erreicht, die nur aus einem Mauerring mit zwei Toren bestand und in einen hohen Wall eingebettet war, der die Nord- und Ostseite der Burganlage schützte. Dahinter lagen die beiden Burggräben. Der Reisewagen und die Hufe der Pferde polterten auf den schweren Holzbohlen der ersten und knirschten auf den Steinen der zweiten Brücke. Ein leicht gebogener Zwinger, an dessen linker Seite eine Schmiede angebaut war, führte schließlich bergauf zu einem von einer kleinen Pforte flankierten Torturm, dahinter befand sich der Burghof. Das Mannloch auf der rechten Seite war verschlossen, dafür stand das Tor selbst einladend weit offen.
    Elisabeth atmete auf und hatte die Tür des Reisewagens bereits aufgestoßen, bevor ihr einer ihrer Begleiter zu Hilfeeilen konnte. Vorsichtig stieg sie aus dem Gefährt und reckte unterdrückt stöhnend ihr Kreuz.
    Zwei Knechte, die gerade dabei gewesen waren, ein Fuhrwerk voller Weinfässer abzuladen, kamen herbeigelaufen, um die Pferde zu einem Stall zu führen, der auf der rechten Seite des Burghofes an einen schlanken Schalenturm angebaut war.
    Elisabeth atmete die spätsommerlich laue Luft tief ein. Sie drehte sich einmal um sich selbst und zählte dabei insgesamt sieben Türme in der sechseckigen Burganlage. Sehr beeindruckend, fand sie, wenn man bedachte, dass die Küneburg zwar größer war, aber nur vier Türme besaß. Der Bergfried als höchster Turm stand rechts neben einem der Flankentürme des Tores. Sein Eingang war nur durch eine hölzerne Treppe zugänglich, die bei Gefahr in wenigen Augenblicken abgeschlagen werden konnte. Dem Tor gegenüber stand das Wohnhaus – der Palas   –, ein imposantes Steingebäude mit drei Obergeschossen. Die zahlreichen Sprossen- und Spitzbogenfenster waren nicht verglast, sondern an einigen Stellen mit dünner Wachshaut verschlossen. Die meisten Rahmen waren jedoch um diese Jahreszeit leer, und einige
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