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Geraubte Herzen

Geraubte Herzen

Titel: Geraubte Herzen
Autoren: Christina Dodd
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PROLOG
    Hobart, Texas
    Ein warmer Juniabend
     
    Die sechzehn Jahre alte Hope Prescott kauerte auf der Veranda des Pfarrhauses an die Hauswand gelehnt. In ihren Armen lag die kleine Caitlin fest schlafend, erschöpft vom Weinen nach ihrer Mutter. Pepper schmiegte sich an Hopes Schulter und presste krampfhaft, wie es nur Achtjährige können, die Hände auf die Ohren, um die Welt auszusperren. Hopes vierzehnjähriger Bruder Gabriel stand mit in die Hüften gestützten Händen zum Garten gewandt da. Er hielt von der halb offenen, gläsernen Schiebetür so viel Abstand wie möglich, ohne Hope in dieser Zerreißprobe alleine zu lassen.
    Aber nichts konnte die Stimmen zum Schweigen bringen, diese schrecklichen, unbarmherzigen Stimmen aus dem Wohnzimmer. Dem Wohnzimmer jenes Hauses, in dem Hope fast ihr ganzes Leben lang gewohnt hatte.
    Sie spähte hinein und sah Mr. Oberlin am Kamin stehen und die Versammlung leiten. »Sie haben unsere Kirchengemeinde offensichtlich schon jahrelang bestohlen und von den Spenden abgeschöpft, um ihre Rechnungen zu bezahlen.«
    »Rechnungen?« Mrs. Cunningham schlug einen schrillen Ton an, der Hope zusammenfahren ließ. »Was für Rechnungen, die sich nicht vom Gehalt bezahlen lassen,
sollten ein Pfarrer und seine Frau wohl haben? Einem sehr hübschen Gehalt, wie ich betonen möchte. Wir sind keine arme Gemeinde, und wir waren mehr als großzügig mit diesen … diesen … Vipern!«
    »Gloria, bitte.« Das war Dr. Cunningham, wie immer die Stimme der Vernunft. »Du sollst dich nicht aufregen. Es ist schlecht für deine Nerven, das weißt du.«
    »Und es ist nicht recht, schlecht von den Toten zu sprechen«, tremolierte Mr. Oberlin.
    Hope konnte es nicht glauben. Sie konnte nicht glauben, dass ihre Eltern tot waren.
    Und diese Leute behaupteten, dass Daddy und Mama Diebe waren.
    Pepper wimmerte und drückte sich fester an Hope. Hope verlagerte mit schmerzenden Armen das Baby, um Pepper zu umarmen. Verzweifelt schaute sie den reglosen Gabriel an. Aber er drehte sich nicht um, ihr zu helfen. Er distanziert sich bereits von uns, dachte Hope. Er bereitet sich auf die, wie er sagt, unausweichliche Trennung vor.
    »Das ist mir egal. Das ist mir völlig egal«, sagte Mrs. Cunningham gereizt. »Wir haben ihnen das Haus gestellt. Wir haben sie mit offenen Armen empfangen. Sie haben zur Familie gehört. Wir haben ihnen geholfen, die Kinder großzuziehen -«
    »Sachte, sachte.« Das war wieder Dr. Cunningham, nur dass er sich nicht mehr wie die Stimme der Vernunft anhörte, sondern wie ein Schwächling, der Angst hatte, seiner Frau die Boshaftigkeiten zu verbieten.
    »So kommen wir nicht weiter.« Mrs. Blackthorns texanischer Akzent schnitt durch die schwüle Luft. »Wir wissen mittlerweile zweifelsfrei, dass Reverend Prescott und seine Frau Betrüger waren.«

    »Was haben sie nur mit dem Geld gemacht?«, fragte Mrs. Cunningham.
    »Das wissen wir nicht. Wir werden es wohl nie erfahren.« Mr. Oberlin seufzte schwer. »Und ich bin schuld.«
    »Mach dich nicht lächerlich, George, Schatz. Sie haben uns allen etwas vorgemacht.« Mrs. Oberlin sagte nur selten etwas und wenn, dann nur, um ihren Mann zu unterstützen. Mama hatte gesagt, Mrs. Oberlin müsse Rückgrat entwickeln. Mama hatte gesagt …
    Hope holte zitternd Luft und versuchte, den Schmerz zu unterdrücken, der in ihrer Magengrube wütete und sie zu zerreißen drohte.
    »Wir wissen, dass sie die Stadt verlassen wollten«, fuhr Mrs. Blackthorn ungerührt fort, wie es sich für die Vorsitzende eines Kirchenrats gehörte. »Wir wissen, dass sie zu schnell gefahren und umgekommen sind. Kurz bevor sie die mexikanische Grenze überqueren konnten.«
    Ein Moskito surrte an Hopes Ohr vorbei. Das tröstliche Zirpen der Zikaden erfüllte die Abendluft. Alles schien so normal, aber nichts würde je wieder normal sein.
    Mrs. Blackthorn fuhr fort: »Wir sind hier, um eine Lösung für das Problem zu finden, das wir durch übergroßes Vertrauen selbst geschaffen haben. Wie sollen wir einen neuen Geistlichen bezahlen, wenn wir schon für das neue Schulgebäude eine Spendenaktion gebraucht haben und das Geld jetzt weg ist?«
    »Ich kann es nicht glauben. Ich kann es immer noch nicht glauben«, sagte Mr. Oberlin. »Dass sie uns so zum Narren gehalten haben. Sie waren doch gute Leute.«
    »Ja, das waren sie«, flüsterte Hope. »Das waren sie.«
    Pepper sah zu ihrer Schwester auf. Mit dünner Stimme, die nicht zu ihrem überschwänglichen Temperament passte, fragte
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