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Die ehrenwerten Diebe

Die ehrenwerten Diebe

Titel: Die ehrenwerten Diebe
Autoren: Will Berthold
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wie ein Christbaum, ließ ihn nicht aus den Augen.
    Lustlos wählte ich die Ochsentour und forderte Maria Wankel zum Tanz auf. Es wurde kein Meisterwerk, und daran war nicht nur sie schuld. Wir kamen weniger in den Rhythmus als in das Gespräch. Eine winzige Bemerkung fing ich auf:
    »Sehen Sie ihn an«, sagte sie, »diesen spätjungen Schürzenjäger.« Was sie nicht aussprach, konnte man leicht erraten: ›Und alles von meinem Geld!‹
    Der Abend endete ohne weiteren Mißklang, aber auch ohne Fortschritt. Und weiter bröckelte der Börsenkurs der Fortuna-Invest ab.
    Es war Zeit, Eva abzuholen. Weil ich nicht vorankam, haderte ich mit mir wie mit ihr: »Wenn wir schon von der Lösung immer weiter entfernt sind«, begrüßte ich sie, »so kommen wir uns doch wenigstens persönlich näher.«
    Sie überhörte die Anspielung. Sie war zerstreut. Offensichtlich kämmte sie ihre Gedanken noch einmal durch, bevor sie mir ihre Überlegungen mitteilte.
    »Ich glaube ja nicht, daß es einen Zusammenhang gibt«, begann sie schließlich, »aber wir haben einen Fehlbestand von mehr als hunderttausend Mark in der Kasse.«
    »Unterschlagung?« fragte ich.
    »Es kann auch eine Fehlbuchung sein«, antwortete Eva.
    »Oder beides.«
    »Auch das«, sagte Eva. »Aber ein bezahlter Spitzel rechnet doch mit ganz anderen Summen.«
    Ich bat sie, der Sache nachzugehen. Es war leichter gesagt als getan. Überweisungen wurden per Computer angewiesen. Tausende von Zahlungen. Man brauchte ihn nur falsch zu programmieren, ein getarntes Konto einrichten und konnte sich dann selbst die Tasche füllen – so man zu dem Personenkreis gehörte, der an den Zahlungs-Computer herankam.
    Es hätte eine Arbeit von Wochen und Monaten werden können, aber Eva hatte den Geistesblitz, zunächst einmal die Schweizer Konten zu untersuchen. Dabei fiel ihr eine Zahlung auf, die über ein Ziffernkonto abgewickelt worden war, zur gleichen Zeit, da Wankel eine Dienstreise nach Zürich unternommen hatte.
    Es war ein sehr dünner Verdacht, aber nun gab es kein Erbarmen mehr.
    Ich setzte gleich ein halbes Dutzend Privatdetektive auf den Mann an.
    Erste Überraschung: Seine Frau hatte ihm längst den Geldhahn zugedreht. Unmittelbar folgende Feststellung: Wankel gab mindestens doppelt soviel Geld aus, wie er verdiente.
    Ich ging den direkten Weg. »Kann ich Sie sprechen?« fragte ich ihn.
    »Aber bitte«, entgegnete er und geleitete mich höflich in sein Büro. »Womit kann ich Ihnen dienen? Kaffee? Cognac? Whisky?«
    »Einen kleinen Cognac bitte und eine wichtige Information«, erwiderte ich. »Warum haben sie hunderttausend Mark unterschlagen?«
    Die letzten Beweise fehlten noch, aber Wankel sah in diesem Moment aus wie ein Angeklagter, dessen Urteil gerade verlesen wird.
    Die Ereignisse überschlugen sich. Jürgen Tümmler erlitt eine schwere Herzattacke und mußte in die Intensivstation eines Münchener Krankenhauses eingeliefert werden. Die Öffentlichkeit durfte es unter keinen Umständen erfahren, deshalb mußte ich einen Defraudanten (Wankel hatte rückhaltlos gestanden, aber energisch abgestritten, mit den verratenen Transaktionen etwas zu tun gehabt zu haben) als kommissarischen Leiter der Firma akzeptieren. Der Mann war voller Reue und voll guten Willens.
    Er versprach, alles wieder gutzumachen und mir in jeder Weise behilflich zu sein. Im übrigen würde ich ihm schon auf die krummen Finger sehen.
    Erst nach ein paar Tagen wurde ich im Krankenhaus vorgelassen. Jürgen Tümmler hatte sich erholt. Er saß inmitten eines Bergs von Wirtschaftszeitungen. Offensichtlich hatte er Aktien-Feldzüge auf dem Papier entworfen.
    »Was würden Sie heute tun?« fragte ich ihn.
    »Am liebsten aus dem Krankenhaus ausbrechen«, erwiderte er grinsend.
    »Ich meine, in Ihrer Firma?«
    »Das ist ein klarer Fall«, sagte er. »Sehen Sie, die Beta-Aktien sind überraschend um siebzehn Punkte gesunken. Wir halten einundzwanzig Prozent dieser Wertpapiere, und ich würde heute …«
    »Verkaufen«, sagte ich.
    »Ganz im Gegenteil«, lächelte er nachsichtig. »Heimlich dazukaufen. In aller Stille könnten wir ganz billig an die Sperrminorität kommen, und dann hätte dieses Paket doch einen ganz anderen Marktwert.«
    Es war mir nur recht, daß uns der Stationsarzt ganz schnell hinauskomplimentierte.
    »Wie würde jetzt so ein Kauf vor sich gehen?« fragte ich Eva.
    »Wir geben unseren Maklern Orders«, erwiderte sie.
    »Verschiedenen Maklern?«
    »Aber ja«, versetzte sie ungeduldig.
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