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Die ehrenwerten Diebe

Die ehrenwerten Diebe

Titel: Die ehrenwerten Diebe
Autoren: Will Berthold
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gleichen Haus, und …«
    »Um Gottes willen!« erwiderte ich lachend.
    »Dasselbe Vertrauen gilt auch für meine Mitarbeiter.« Er überreichte mir eine Gehaltsliste. Die Summen auf der rechten Seite waren stattlich. »Wir haben Gewinnbeteiligung eingeführt«, sagte er. »Jeder profitiert am Erfolg. Keiner hätte einen Grund, ihn zu verhindern. Ich habe Ihnen nur die schlimmsten Dinge geschildert. Manchmal glaube ich, daß wir in einem Glashaus sitzen. Kaum hat einer eine Idee, landet sie auch schon bei der Konkurrenz.«
    »Haben Sie über diese Zwischenfälle Buch geführt?«
    »Darauf können Sie sich verlassen«, antwortete Raschke grimmig. »Mit Tag und Uhrzeit. Wissen Sie, Herr Fabian, jetzt können wir von einem internationalen Tabakkonzern einen Millionenauftrag bekommen. Aber wenn diese Sache auch noch in die Binsen geht, dann sind wir ziemlich ruiniert.« Er erhob sich, tigerte in seinem Büro auf und ab. »Es gibt einfach keine natürliche Erklärung.« Er blieb vor mir stehen. »Trotzdem müssen Sie eine finden, Herr Fabian.« Er lächelte mühsam. »Es ist ein typischer Fall für Sie.«
    »Vertrauen ehrt«, erwiderte ich, und dann sprachen wir einige ungewöhnliche Vorbereitungen ab. Die letzte Buchprüfung der Werbefirma durch das Finanzamt lag bereits zwei Jahre zurück. Es paßte terminlich sehr gut, wenn mich der Senior-Partner als Steuerbeamten einführte – Finanzbeamte kommen meist unangemeldet und sind nicht sehr beliebt. Meine Recherchen vor Ort würden sicher nicht die Zuneigung zu mir steigern. Gleichzeitig wollte ich eine Assistentin als angebliche Texterin zur Probe bei den RAPLA-Leuten einführen.
    Und dabei dachte ich natürlich an Cora, die sich sicher den Start in unseren ersten gemeinsamen Urlaub anders vorgestellt hatte.
    Die RAPLA-Werbung wohnte im eigenen Haus an Düsseldorfs Stadtrand, ins Grüne gebettet, mit Blick zum Rhein. Das Gebäude wurde in vielen Fachzeitschriften als Musterbeispiel moderner Architektur dargestellt und gleichermaßen als sachlich wie intim gerühmt. Tatsächlich hatten die beiden Firmeninhaber, die hier auch ihre privaten Wohnungen besaßen, lange um die Baugenehmigung rangeln müssen.
    Ich wollte mich noch ein wenig umsehen, aber ich kam nicht weit. Ein blonder Junge vertrat mir den Weg, legte den Zeigefinger auf die Lippen, zog mich in sein Zimmer, das eher einem Fotoatelier glich denn einer Kinderstube.
    »Du hast gelauscht«, sagte ich.
    »Was für ein hässliches Wort«, erwiderte er und lächelte. »Ich hab doch bloß ein bißchen zugehört.«
    »Mit Erfolg?« fragte ich.
    »Da hätten Sie schon 'n bißchen lauter sprechen müssen«, erwiderte er. »Wer sind Sie eigentlich?«
    »Ein Mann vom Finanzamt«, entgegnete ich. »Aber du brauchst keine Angst zu haben«, setzte ich hinzu, »du bist ja noch nicht steuerpflichtig.«
    »Nur bedingt«, versetzte er, »als pauschal besteuerte Aushilfskraft.«
    Der Junge hatte es geschafft, mich zu verblüffen. Ich mußte auf der Hut sein; unter Umständen wußte dieser Neunmalkluge über Steuerkniffe besser Bescheid als ich.
    »Du bist ein tüchtiger Junge«, sagte ich. »Wie heißt du eigentlich?«
    »Mein Name ist Klaus«, entgegnete er. »Klaus Raschke.« Er stellte sich in der Manier eines Gentleman vor. »Und Sie kommen gerade von meinem Vater.« Er sah einen Moment ängstlich zur Tür, als fürchtete er, sein Erziehungsberechtigter würde gleich eintreten. »Ich muß unbedingt mit Ihnen sprechen. Deshalb habe ich überhaupt die Schule geschwänzt.« Er machte eine geringschätzige Handbewegung. »Bin sowieso der Klassenbeste«, setzte er hinzu. »Aber nehmen Sie doch bitte Platz.« Er schob mir einen bequemen Sessel zu. »Es handelt sich um Onkel Sigi«, begann er dann mit seiner Enthüllung.
    »Was hab' ich mit deinem Onkel Sigi zu tun?« fragte ich.
    »Wenn Sie vom Finanzamt sind, werden Sie rasch mit ihm zu tun bekommen«, erwiderte Klaus, ein biegsamer Junge, der wohl zuviel mit Männern verkehrte, weil ihm die Mutter fehlte, schlaksig und auf eine köstliche Art frühreif; er drehte an einem Radio, entschuldigte sich zwischendurch, hörte die Werbedurchsagen: Erst Waschmittel, dann Zahnpasta, zuletzt ein örtliches Konfektionshaus. Der Junge sah mich bedeutungsvoll an und nickte.
    »Und unsere Kinderabteilung«, sagte der Sprecher mit gehobener Stimme, »macht die Kleinen groß.«
    »Von mir«, sagte Klaus Raschke stolz. »Ich bin nämlich Deutschlands jüngster Texter.«
    »Gratuliere«, sagte ich.
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