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Die ehrenwerten Diebe

Die ehrenwerten Diebe

Titel: Die ehrenwerten Diebe
Autoren: Will Berthold
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war Witwer, an die 50, groß, untersetzt, besonnen, wenn auch verzweifelt. »Die Sache begann mit Schnaps. Einer unserer Kunden stellte eine neue Sorte her. Wir ließen uns den passenden Namen dazu einfallen: PROMILLE.«
    »Wann war das?« unterbrach ich ihn.
    »Vor fünf Monaten«, erwiderte mein Auftraggeber. »Wissen Sie, Herr Fabian, ein neues Produkt wirft man nicht einfach auf den Markt. Die Werbung kann das Bedürfnis anheizen, aber der Artikel geht unweigerlich unter, wenn kein Bedarf besteht. Man macht also einen Testversuch, bevor man Millionen zum Fenster hinauswirft. Und wenn es sich dabei um etwas hochprozentiges Flüssiges handelt, bietet sich der Kohlenpott von selbst an.« Er lächelte flüchtig. »Wissen Sie, Staub macht nun einmal durstig.«
    »Und eine andere Schnapsfirma ist auf den gleichen Trichter gekommen?«
    »So ist es. Fast dasselbe Produkt mit dem Namen: MILLEMACHER. Wir waren die ersten, also ist der Name eindeutig bei uns geklaut. Der Schnaps war gut, die Werbung war gut, aber eine Neuheit schlug die andere, und so gingen sie beide vor die Hunde.« Er atmete schwer. »Wir haben einen unserer besten Kunden verloren. Den Rest der Bezahlung mußten wir auch noch in PROMILLE annehmen, und seitdem ist meine Rasselbande ununterbrochen betrunken, wenn wir nicht dazwischenfahren.«
    »Und wer sagt Ihnen, daß der Verräter nicht bei der Herstellerfirma saß?«
    »Damit hatten wir uns seinerzeit getröstet«, entgegnete unser Klient, »eine Werbefirma ist sowieso immer der Prügelknabe. Schlägt die Sache ein, dann war natürlich das Produkt gut – und läuft sie schief, dann war ganz einfach die Werbung schlecht.«
    Seine Erklärungen waren nicht uninteressant, aber ich wollte zur Sache kommen: Die Firma Raschke und Plaschke, abgekürzt: RAPLA-Werbung, war in einer überfüllten Branche vor Jahren als Senkrechtstarter aufgetreten, so daß ihr Spottname im Branchen-Jargon, BLABLA-Werbung, schon sehr bald auf der Strecke blieb. Der Erfolg wurde zum ständigen Begleiter des neuen Sterns am Werbehimmel, bis das Verhängnis begann.
    Mit PROMILLE. Dann folgte das Debakel mit der Diätschokolade. Ein weltweiter Lebensmittelkonzern wollte dem Schlankheitsbedürfnis von Millionen Rechnung tragen und experimentierte mit einer Süßigkeit ohne Nährwert. Die Lebensmittelchemiker fanden das Rezept, die Firma RAPLA den Namen: NASCH-DICH-SCHLANK, und der Junior-Partner steuerte noch die Unterzeile bei: MIT SÜSSTOFF IST ALLES IN ZUCKER .
    »Genial«, lobte Fachmann Raschke. »Wirklich Zucker. Und dann kam der große Bruder mit dem Einfall heraus: ES MACHT NICHT ALLES DICK, WAS SÜSS IST.«
    »Und Sie waren wieder der erste gewesen?«
    »Und der Dumme.«
    »Wiederum kein Zufall?«
    »Ausgeschlossen«, erwiderte der Auftraggeber. »Einwandfrei Verrat.«
    »Und Ihr Teilhaber?«
    »… ist der gleichen Meinung.« Der Hausherr sah auf die Uhr. »Siegfried Plaschke sollte längst hier sein. Aber wann wäre er einmal pünktlich?« Aus seiner ärgerlichen Miene konnte ich unschwer schließen, welche Art Konferenz sein Partner gerade hinter sich brachte. »Der Mann heißt eigentlich Plaschkowitz und hat seinen Namen für den Firmengebrauch geschönt. Er ist der Künstler, ich bin der Kaufmann. Wir sind die sprichwörtlichen Gegensätze, die einander anziehen. Sigi kann alles: Er textet, komponiert, zeichnet, fotografiert. Er sprudelt die Ideen nur so heraus, wie ein Automat, in den Sie eine Münze werfen.«
    »Mit welcher Münze füttern Sie ihn?«
    »Er braucht Erfolg, Zuhörer, Beifall.« Übergangslos setzte er hinzu: »Er ist übrigens nicht begeistert, daß ich Sie um Hilfe angehe.«
    »Und was schlägt er vor?«
    »Eine Art Betriebsausflug zum Psychiater«, erwiderte der RAPLA-Senior trocken.
    »Sie trauen ihm?«
    »Restlos«, antwortete er gereizt. »Ihm und allen meinen Leuten.«
    »Könnte nicht sein, daß Ihr flotter Sigismund Sie verdrängen möchte?«
    »Völliger Blödsinn«, versetzte der Werbefachmann grob. »Erstens einmal sind wir beide so groß, daß keiner den anderen mehr schlucken könnte. Und dann …« Er lächelte wissend: »Wer soll denn die Arbeit machen, wenn ich nicht mehr da wäre?« Etwas ernsthafter setzte er hinzu: »Jedes Misstrauen gegen Sigi wäre Zeitverschwendung. Wir sind so etwas wie Zwillingsbrüder des Geschmacks: Wir fahren den gleichen Wagen. Wir rauchen dieselbe Zigarettensorte. Wir trinken das gleiche Schnapsfabrikat, wir haben denselben Schneider, wir wohnen im
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