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Die ehrenwerten Diebe

Die ehrenwerten Diebe

Titel: Die ehrenwerten Diebe
Autoren: Will Berthold
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Knapp vierzig Jahre alt. Absolut kein Abenteurer. Bei allem Wagemut so etwas wie ein königlicher Kaufmann. Er war ein Senkrechtstarter im Bankfach, bevor er seine eigene Firma gründete. Er hat sein ganzes Privatvermögen hineingebuttert, um die Pleite aufzuhalten.« Eva hatte sich richtig in Rage geredet: »Kannst du dir vorstellen, daß sich jemand das Bein abschneidet, auf dem er steht?«
    »Kaum«, antwortete ich. »Aber was hast du damit zu tun?«
    »Ich leite die Rechtsabteilung«, erwiderte sie schlicht, und ich begriff, daß auch Eva in ihrem Fach eine Senkrechtstarterin sein mußte, die sich gegen eine Bauchlandung wehrte.
    Es ging um mehr als um glücklose Transaktionen. Das Wirtschaftswunder hatte zu einer teilweisen Umschichtung auf dem Wertpapiermarkt geführt, und dabei hatte sich die Fortuna-Invest besonders um den kleinen Sparer gekümmert, ihn mit Erfolg umworben und mit sicheren und ansehnlichen Gewinnen durch die Wirren der inflationären Entwicklung gesteuert. Immerhin war bis vor kurzem der alljährliche Zuwachs erheblich größer gewesen als die Geldentwertung.
    Und nun ganz plötzlich eine Panne nach der anderen. Das böse Wort des berühmten Berliner Bankiers schien sich zu erfüllen: ›Aktionäre sind dumm und frech – dumm, weil sie anderen ihr Geld anvertrauen, und frech, weil sie dafür auch noch Gewinne machen wollen.‹
    »Du hast dir doch schon sicher Gedanken gemacht, was hinter dieser Flaute steckt?« fragte ich Eva.
    »Flaute ist gut«, erwiderte sie. »Natürlich steckt eine Konkurrenzfirma dahinter.«
    »Hast du einen Verdacht?«
    »Verdacht ist zuviel gesagt«, versetzte sie gedehnt. »Theoretisch gesehen kommen an die hundert Investmentfonds in Verdacht, die mit uns auf dem Markt rivalisieren. Die meisten tun das mit durchaus fairen Mitteln. Aber natürlich gibt es noch Hechte im Karpfenteich.«
    »Zum Beispiel?«
    »Sagen wir einmal den Vita-Fonds. Er hat keinen sehr guten Ruf. Die Leute haben ihre Papiere an den Käufer gebracht wie Hausierer Heftpflaster und Hosenknöpfe. Ich habe das unbestimmte Gefühl, daß die Burschen uns ruinieren wollen, um uns für einen Apfel und ein Ei aufzukaufen.«
    Der Verdacht war nur logisch, aber leider auch völlig unbewiesen. Außerdem war es nur eine Seite des Dilemmas: Wer immer hinter den unsauberen Machenschaften stand, mußte in unmittelbarer Nähe der Fortuna-Geschäftsleitung einen Spitzel haben.
    »Ich habe Zugang zu allen Akten«, schloß Eva ihren Bericht. »Ich bin bei fast allen wichtigen Sitzungen zugegen. Es gibt keinen Vorgang, der mir nicht bekannt ist. Und durch dich bin ich ja einigermaßen mit den Praktiken der Industriespionage vertraut.« Sie blieb einen Moment stehen, sie war nicht mehr heiter, sondern ungewöhnlich ernst. »Ich muß dir gestehen, daß mir jede natürliche Erklärung für diese Vorgänge fehlt.« Eva nahm meinen Arm. »Könntest du dich für diesen Fall erwärmen?« fragte sie mich.
    »Zunächst einmal habe ich Hunger«, brummelte ich. »Immer alles der Reihe nach.«
    Wir gingen auf ein bekanntes Ausflugslokal zu. Im Biergarten saß gutgelauntes Publikum, das der Großstadt vorübergehend entkommen war.
    Es geschah, als ich mit den Augen einen Tisch suchte. Auf einmal lehnte sich Eva gegen mich, legte die Arme um meine Schultern, zog mich an sich, küßte mich auf den Mund.
    Ich mußte ein bißchen steif reagiert haben.
    »Mach mit«, zischte sie mich an. »Da hinten sind Leute aus meiner Firma.«
    Ich ließ es mir nicht zweimal sagen, und schon saß ich in der Falle meines nächsten Falls.
    Eva und ich hatten die Rollen getauscht:
    Einmal hatte sie für mich die Ehefrau gespielt, aber jetzt würde ich ihren Liebhaber mimen.
    Es war keine Kunst, eher eine Gefahr …
    Für mich bestand die Sache zunächst einmal aus zwei gänzlich verschiedenen Dingen: aus Kopfzerbrechen und Händchenhalten. Ich geleitete Eva in die Firma und holte sie pünktlich ab. Ich aß mittags mit ihr in der Kantine und mußte dabei so echt wirken, daß ich mit bestürzter Genugtuung Gerüchte vernahm, die Evas Scheidungstermin festsetzten.
    Der Fall Kugelfischer machte Furore.
    Er brachte die Investmentfirma an den Rand ihrer Existenz. In einer Art Rette-sich-wer-kann-Panik warfen die Inhaber ihre Zertifikate auf den Markt. Die neuen Käufer waren keine Fachleute, sie verstanden wenig von Angebot und Nachfrage auf dem Wertpapiermarkt, und sie wußten nicht, daß sie mit ihren verschleuderten Papieren eine Art finanzielle
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