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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition)
Autoren: Susannah Kells
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seinem protzigen Gewand schien der Mann äußerst beleibt zu sein. Er schob seine Kapuze zurück, und Campion sah das Gesicht, das ganz Europa Albträume bereitete, den Feind von Königen und Höflingen, das massige, brutale, triumphierende Gesicht von Bertrand Marchenoir. Während er die weißen Marmorstufen hinuntertrat, strahlten seine Augen, die so viele Tode gesehen hatten, in Vorfreude auf diesen Augenblick.
    Vier Schritte vor ihr blieb er stehen. «Ich bin Moloch!»
    Sie schwieg.
    «Ich bin dein Tod.» Er starrte sie an und spürte, wie sein Zorn aufwallte. Das Mädchen war, selbst in ihrem zerzausten und verängstigten Zustand, schöner, als er zu hoffen gewagt hatte. «Tochter von Auxigny! Du hast mich wie ein Tier behandelt. Ich musste mich vor dir verbeugen. Du hast mich behandelt wie Dreck.» Sein Gesicht verzog sich in einem Anfall von Hass, und er spuckte sie an. Die Spucke flog an ihrem Kopf vorbei.
    «Ich kenne Sie nicht!»
    «O doch, du kennst mich! Ich war der Bauer! Aber du wirst mich kennenlernen, bei Christi Blut, du wirst mich kennenlernen!» In leidenschaftlichem Hass stieg seine Stimme immer höher, bis die ganze Kammer von seinen Drohungen widerhallte. «Zeig dich uns, Mädchen! Zeig uns, was du bist!» Mit erhobenen Armen trat er auf sie zu und griff mit seinen großen, starken Händen nach dem Halsausschnitt ihrer Kleider, um sie ihr wütend vom Leib zu reißen, dem Leib, der, wie er wusste, weiß wie Seide war und an dem er seine schreckliche Rache auslassen würde, bis er befriedigt aufkeuchte.
    «Jetzt», flüsterte Christopher Skavadale.

    «Schrei!», sagte er, sobald er in den kleinen Raum kam. «Um Himmels willen, schrei!»
    Sie starrte ihn voller Entsetzen an.
    Er schien gar nicht auf sie zu achten. Stattdessen ging er zum Tisch, bückte sich und tastete unter die Tischplatte. «Schrei!»
    «Schreien?»
    «Schrei!»
    Sie schrie.
    «Lauter, um Gottes willen!»
    Sie schrie, als wollte sie die Toten aufwecken.
    Tastend fuhr er unter dem Tisch herum und löste von den Haken, die dort hineingedreht worden waren, zwei Pistolen. Er hatte sie an den Abzugsbügeln aufgehängt, als er sich ausgezogen hatte, in stummem Gebet, dass Toby nicht vergessen hatte, die Haken anzubringen. «Dreh dich um.»
    Sie verstand nicht.
    «Beeil dich, Frau!», zischte er. «Dreh dich um! Schrei!»
    Sie drehte sich um, und sie spürte, wie er ihr die Bluse aus dem Rock zog, und dann fühlte sie kalte Pistolenläufe auf der Haut, die ihr in den Rockbund geschoben wurden. Er zog die Bluse wieder herunter, um sie zu verbergen. Der Hals tat ihr weh vom Schreien. «Wo ist Toby?»
    «Wenn er Dagon umgebracht hat, dann ist er unten. Schrei!»
    Sie schrie. Er drehte sie um und sah sie an, eitel Freude im Gesicht. So hatte er auch in den Herbstwäldern hinter Lazen ausgesehen, als er für sie getötet hatte, und sie lächelte. «Hör zu!»

    Er hatte ihr genau erklärt, was er machen würde. Als unter gewaltigem Poltern das Licht ausging, zog er die Pistolen aus ihrem Rockbund. Eine Pistole drückte er ihr in die rechte Hand, und sie spürte seine Finger warm auf ihrer Haut, als er das Steinschloss spannte.
    Als die Türen aufgerissen wurden, flüsterte er ihr ins Ohr: «Nur Mut. Halt die Augen auf, wie ich es dir beigebracht habe.»
    Er hatte es ihr beigebracht, indem er ihr die Guillotine gezeigt hatte. Es gab Zeiten, da musste man dem Schrecken ins Gesicht sehen.
    Die drei Männer standen ihr gegenüber.
    Skavadales Stimme war sanfter als ein Windhauch auf Pelz. «Ich liebe dich.»
    Sie lächelte beinahe. Deswegen liebte sie ihn – nicht weil er ein Mann war, der schwer zu zähmen war, sondern weil er sie für würdig befand, die einsamen Pfade mit ihm zu gehen. In diesem Augenblick sah sie es so klar wie die Sonne, die sich auf dem See von Lazen spiegelte: Die Liebe hatte sie verbunden, sie brachte ihm kein Geschenk dar, indem sie ihren Rang erniedrigte, um ihn zu heiraten, sondern er liebte sie kraft seines ganzen Vermögens. Sie war voller Liebe für ihn, sie spürte das Glück, das auf sie wartete, denn auch sie betrachtete ihn als ihrer würdig. Alles, was sie wollte, alles, wovon sie im Leben je geträumt hatte, würde dieser Mann ihr geben. Er vertraute ihr. Liebe erfüllte sie, wie es nichts anderes vermochte, und machte das schier Unmögliche möglich.
    Dann bedeutete die in einen silbernen Handschuh gekleidete Hand dem großen Mann mit einer Geste, nach vorne zu kommen, und sie sah, wie sein Gesicht
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