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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition)
Autoren: Susannah Kells
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und den von Krankheit heimgesuchten Räumen von Lazen Castle auf wie ein Sonnenstrahl, der auf Gold trifft.
    Sie hätte in London sein können, hätte in Palästen tanzen und sich von den vielversprechenden Söhnen der besseren Gesellschaft bewundern lassen können, doch sie wollte Lazen nicht den Rücken kehren. Ihr Vater war krank, ihr Bruder fern, und sie hatte die Zügel des Familienbesitzes in ihre schlanken Hände genommen und war jetzt diejenige, die dort das Sagen hatte. Sie war vernünftig, praktisch und entschlossen und konnte mit Pflügern und Advokaten reden, mit Müllern und Magistraten, und alle waren danach ein wenig verliebt in sie und bereit zu glauben, dass kein Fluch über Lazen liege.
    Denn es ging der Glaube um, das Schloss sei verflucht.
    Der Graf lag im Sterben. Im Wachen betrank er sich, um wenig später wieder von Schmerzen gefoltert aus dem Schlaf gerissen zu werden.
    Seine Frau war gestorben, die Geburt eines totgeborenen Kindes hatte sie das Leben gekostet.
    Der älteste Sohn, der Lazen hatte erben sollen, war mit seiner Frau und seinem Kind bei lebendigem Leibe verbrannt.
    Auf Lazen, diesem vermögenden Haus, schien ein Fluch zu liegen – mit Ausnahme seiner schönen Tochter.
    Ein Diener häufte Kohlen aufs Feuer. Immer noch hielt Campion die Hand ihres Vaters und streichelte sein Gesicht, um ihn ihre Liebe spüren zu lassen. Sie betete, dass der Arzt bald kam, dass ihr Vater nicht starb, dass er wenigstens lange genug lebte, um Tobys Hochzeit mitzuerleben.
    Toby war ihr Bruder, der neue Erbe, Viscount Werlatton. Er war als Angehöriger der britischen Botschaft in Paris, und nun, da die Franzosen ihren König ins Gefängnis geworfen hatten und die Revolution mit jedem Tag blutiger wurde, kam er nach Hause. Er brachte seine Braut mit, eine dunkelhaarige Französin von liebreizender, zarter Schönheit. Bald würde es auf Lazen wieder Nachwuchs geben. Campion freute sich. Lazen brauchte dringend Nachwuchs, und sie betete, dass dieser blasse, blutende Mann es noch erleben würde.
    Als sie hörte, dass jemand im Laufschritt näher kam, drehte sie sich um. William Carline, der gewichtige Verwalter des Schlosses, tauchte atemlos in der Tür auf. «Mylady?»
    «Was ist?» An seinem Gesicht, das blasser war denn je, sah sie, dass er schlechte Nachrichten brachte. Flackernde Panik breitete sich wie ein Blitz unter der Dienerschaft aus.
    «Es geht um Doktor Fenner, Mylady. Er ist nicht zu Hause. Es heißt, er ist nach Millett’s End gefahren.» Carlines Stimme wurde schwächer.
    Die Dienstboten blickten sie erwartungsvoll an. Sie war vierundzwanzig Jahre alt, und auf ihren schmalen Schultern ruhte das herrschaftliche Anwesen mit all seinen Besitzungen.
    Sie hob die Decke und besah sich den Beinstumpf. Auf dem Leintuch glaubte sie inzwischen noch mehr Blut zu sehen, und sie wusste, dass ihr Vater sterben würde, wenn sie nicht rasch handelte. «Carline?»
    «Mylady?»
    «Bitte, gehen Sie zu den Ställen, wecken Sie Burroughs und fragen Sie ihn nach Pferdenadeln und Faden.»
    Er blinzelte und nickte dann. «Ja, Mylady.»
    «Ich brauche Wasser, Caleb.» Sie versuchte sich darauf zu besinnen, was sie sonst noch brauchte. Kerzen, Linnen – und Mut.
    Ihr Dienstmädchen schaute sie mit großen Augen an. «Sie wollen ihn zusammennähen, Mylady?»
    «Und Sie werden mir helfen.»
    Als sie fertig war, hatte sich der Sturm gelegt. Sie hatte den groben Verband entfernt, den Stumpf gewaschen, die gerissene Arterie abgebunden und dann mit dem Hautlappen vernäht. Ganz intuitiv hatte sie getan, was ihr notwendig erschien, und hatte die Stirn gerunzelt, als die zarte Haut unter dem Zug des Fadens riss. Edna hatte ihr mit einer Kerze geleuchtet, während Caleb und ein weiterer Diener ihren Vater festgehalten hatten.
    Der Raum war erfüllt vom Geruch der Gewebsflüssigkeit und des Blutes, als sie jetzt den Knoten der seidenen Schnur am Oberschenkel ihres Vaters löste. Voller Angst beobachtete sie, wie das Blut, das jetzt wieder fließen konnte, die weiße Haut rot färbte und wie diese Röte sich bis kurz vor die frischgenähte Wunde ausbreitete. Doch die Stiche hielten, sehr zu ihrer Erleichterung. Ein paar Tropfen sickerten heraus, aber das war alles.
    Ihr Vater würde weiterleben, um noch mehr Schmerzen zu erleiden und die langsam verstreichenden Stunden des Königreichs des Todes zu zählen. Und doch würde er auch weiterleben, um seinen Sohn mit einer Braut heimkommen zu sehen, die das Schloss mit neuem Leben
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