Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
worden. Von dieser Seite hatte sie keine Hilfe zu erwarten, doch es war eine vertraute Situation, auf sich allein gestellt zu sein. Das Wasser schmerzte in ihren Brandwunden, aber anscheinend hatte sie keine schweren Verbrennungen davongetragen. Sie schulterte das Lasergewehr, verzog das Gesicht, als der Kolben auf einer Prellung aufsetzte, und taumelte dann durch riesige Pfützen in die Dunkelheit, fort von der Halle, in der der Transmitter stand. Ein weiterer Wasserschwall holte sie ein und trug sie mit sich fort.
     
    *
     
    Hartmann wußte, daß er gefesselt war, noch bevor er ganz bei Bewußtsein war. Instinktiv versuchte er, sich auf die Knie zu rollen, aber seine Handgelenke wurden mit eiserner Gewalt zurückgerissen, und der heftige Schmerz vertrieb die letzten Reste von Benommenheit. Er riß die Augen auf. Und er starrte in das chitinglänzende schwarze Gesicht eines Moroni, eine Armlänge entfernt. Die mächtigen Kiefer waren geöffnet, als wollten die Zangen im nächsten Moment seinen Kopf packen und zermalmen, und in den großen Facettenaugen schimmerten ringförmig die Reflexionen der schwachen Deckenbeleuchtung. Er konnte aus dieser Entfernung sogar die zahllosen Barthaare um den Mund und die langen Fühler am Kopf erkennen. Noch nie hatte er eine Ameise aus solcher Nähe gesehen. Er spannte sich und versuchte, sich zur Seite zu werfen, aber seine Fesseln gaben keinen Zentimeter nach. Nach ein paar Sekunden resignierte er und wartete auf den tödlichen Biß. Nichts geschah. Der Moroni blieb reglos wie ein Standbild. Ein schwacher Hauch traf Hartmanns Gesicht, und er erkannte, daß der Krieger noch lebte. Hartmann holte tief Luft, erkannte, daß er unwillkürlich den Atem angehalten hatte, und als er seine Lungen mit Luft füllte, durchzuckte ein heftiger Schmerz seinen Brustkorb. Er fühlte sich so steif wie ein toter Papagei, jeder seiner Muskeln war in Erschöpfung gelähmt. Obwohl seine Beine wegen der niedrigen Schwerkraft keine Last zu tragen hatten, zitterten seine Oberschenkel, und er hatte das vage Gefühl, daß jede noch so geringe Anspannung seiner Waden einen heftigen Krampf zur Folge haben würde. Er nahm die Schulter zurück und streckte den Rücken. Der Schmerz tanzte seinen Rücken entlang wie ein Buschfeuer. Hartmann fühlte sich, als würde sein Körper auseinanderfallen. Kyles hilfreiche Gabe, dachte er mißmutig. Der Jared hatte ihm gesagt, daß er sich nicht besonders gut fühlen würde, sobald der Kraftschub vorüber war, den er ihm verpaßt hatte. Jetzt glaubte er, er habe in seiner Berserkerwut nicht die Moroni, sondern sich selbst verprügelt, so, als habe jeder Schlag, den er austeilte, ihn selbst ebenso heftig getroffen. Ausgleichende Gerechtigkeit. Er schüttelte den Kopf, bemühte sich, die Schmerzen zu ignorieren, die durch seinen Nacken zuckten, und fixierte den Moroni. Der Krieger hatte sich nicht bewegt, seit Hartmann erwacht war. Langsam sah Hartmann sich um. Um seine Oberarme, Handgelenke, Fußknöchel und Oberschenkel lagen schwarze dicke Ringe, soweit er das in der unsicheren Beleuchtung erkennen konnte. Er spannte versuchsweise den rechten Arm an. Ebensogut hätte er versuchen können, einen Panzer anzuheben. In seiner augenblicklichen Verfassung hätte er wohl nicht einmal auf eigenen Beinen stehen können. Man hatte ihn anscheinend in eine kleine Lagerhalle geschafft. Er konnte Schriftzeichen an der Tür hinter dem Krieger erkennen, die eindeutig menschlichen Ursprungs waren, eine Code-Bezeichnung, die auf eine militärische Anlage hindeutete. Die Beleuchtung bestand aus den kümmerlichen Resten von drei Reihen Leuchtröhren, um die sich seit sechzig Jahren vermutlich niemand mehr gekümmert hatte. Hartmann fragte sich, wie viele solcher Orte es geben mochte, in denen seit der Invasion das Licht nicht abgeschaltet worden war. »Bin ich froh, daß ich die Stromrechnung nicht zahlen muß«, sagte er in die Stille hinein. Obwohl es kein Echo gab, schienen seine Worte lange nachzuhallen. Psychologie, dachte er mißmutig und behielt wachsam den Krieger im Auge. Es gab keine Reaktion. Nach einiger Zeit setzte er seine Bestandsaufnahme fort. Links und rechts von ihm sah er Regale, die sich drei Meter hoch bis zur Decke zogen. Zu Hunderten stapelten sich Behälter, Dosen und Pakete in den Regalen, geordnet und ausgerichtet. Vermutlich hatten Dutzende von Soldaten zahllose Stunden Strafdienst damit verbringen dürfen, das Material zu sortieren, von Staub zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher