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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
Autoren: Bianka Minte-König
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Blitzschlag verursachten Körpertausches, der ich nicht allzu viel Bedeutung bemessen sollte. Wenn das der einzige Preis war, den ich dafür zahlen musste, dass ich nach vierhundert Jahren als ruhelose Vampirin nun wieder ein Mensch sein durfte, dann wollte ich diese Beschwerden freudig akzeptieren.
    Aber Jaromir war ein aufmerksamer Beobachter und so entging ihm mein ungewöhnliches Verhalten nicht.
    Weil ich bald merkte, dass das Tageslicht mein Unwohlsein verstärkte, schlief ich am Tag bei geschlossenenKutschenvorhängen und schaute des Nachts hinaus in die vom Mondlicht erhellte Landschaft, deren unbekannte, düstere Konturen gespenstisches Neuland eröffneten.
    Hinter uns heulten die Wölfe und über uns kreischten die Nachtvögel, die auf lautlosen Schwingen eine dunkle Eskorte für unsere Reise bildeten.
    Als Jaromir mich darauf ansprach, fiel mir zur Erklärung wenig mehr ein als der Hinweis auf meine durch den Blitzschlag geschwächte Gesundheit und dass die Helligkeit des Tages mir Kopfschmerzen bereite, sicherlich eine Nachwirkung des grellen Lichtes, das meine Augen getroffen hatte und durch das ich schließlich fast erblindet wäre.
    Vanderborg hatte nach wie vor den Fehlschlag nicht verkraftet, und weil er sein seelisches Leiden recht deutlich zur Schau trug, akzeptierte Jaromir unser absonderliches Verhalten und passte sich, da er ja unser Gast war, weitestgehend an. Nur hin und wieder versuchte er mich dazu zu bewegen, etwas Luft und Licht in die Kutsche zu lassen.
    Solange wir fuhren, konnte ich mit einem Hinweis auf die gefährliche Zugluft ausweichen, aber wenn wir Rast machten, riss er sofort alle Fenster auf und ich musste schnellstens in den Schatten des Waldes oder der Poststation flüchten, weil das Licht mich schmerzte.
    Meist rasteten wir jedoch nur in den Abendstunden, um den Pferden eine Erholungspause zu gönnen oder um in einem am Wege liegenden einfachen Gasthaus eine Mahlzeit einzunehmen. Da leistete ich den Herren gerne Gesellschaft, aber es hungerte mich nicht nach Fleisch und Brot, es dürstete mich nur. Doch weder Bier noch roter Wein konnten meinen Durst stillen.
    Wir fuhren bald weite Strecken in der Nacht, ummöglichst schnell nach Berlin zurückzukommen, denn auch Vanderborg ging es wie gesagt nicht gut. Ihn belastete die Aussicht, sich mit dem Großen Pilati über das Geld auseinandersetzen zu müssen, das dieser voller Optimismus in die Vampirjagd gesteckt hatte. Ich hörte ihn mit Friedrich darüber sprechen, als er sich eine Weile zu ihm auf den Kutschbock gesetzt hatte.
    Jaromir begann inzwischen einen möglichst großen Abstand zu mir zu halten. Da ich schwach und blutarm wirkte, schien er zu befürchten, dass ich die unheimliche Seuche in mir tragen könnte, die in Pzytulek die Menschen in Angst und Schrecken versetzt hatte. Jedenfalls beobachtete er mich mit zunehmend panischer werdendem Argwohn und stellte die merkwürdigsten Fragen zu meinem Befinden.
    »Warum esst Ihr nie etwas, Fräulein Estelle?«, fragte er zum Beispiel. »Auch trinkt Ihr nicht. Wenn Ihr eine Krankheit in Euch tragt, so ist es nicht gut, den Körper noch zusätzlich so auszuzehren. Verspürt Ihr denn keinen Hunger und keinen Durst? Man könnte meinen, Ihr wäret gar kein Mensch, sondern ein Geist, der sich von Luft ernährt.«
    Es war diese Bemerkung, die mich stutzig machte, und ich begann nun selber darüber nachzudenken.
    Das Menschsein hatte ich mir in der Tat etwas anders vorgestellt. Wie es schien, war mir die Sterblichkeit ausschließlich aus dem einen Grund zurückgegeben worden, damit ich sogleich oder doch binnen kürzester Frist davon Gebrauch machte. Rasch tritt der Tod zwar den Menschen an, so rasch hätte es allerdings nicht sein müssen!
    Ich hätte es wirklich vorgezogen, nun, da meine Rache vollendet war, in Estelles jungem, schönem Körper noch ein wenig das Menschsein zu genießen, bevor ich starb.
    Aber als ich im weiteren Verlauf der Reise immer schwächer wurde, sah ich fast schon ein Glück in einem schnellen Ende. Wobei ich mir selbst dessen nicht sicher sein konnte, denn verschiedene Zeichen deuteten darauf hin, dass mein vampirisches Schicksal noch nicht vollendet war. Das verwirrte mich und versetzte mich in einen Zustand tiefer Melancholie, den Vanderborg und Friedrich sichtlich betroffen, jedoch duldsam zur Kenntnis nahmen, während Jaromir noch stärker beunruhigt war und schließlich darum bat, bei der nächsten Poststation hinausgelassen zu werden, um die Reise
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