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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda
Autoren: Bianka Minte-König
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Gesicht, schob das graue Hemd der Anstaltskleidung hoch, unter dem ich völlig nackt war, und öffnete keuchend seine Hose. Sein Griff war wie ein Schraubstock und er ging anders zu Werke, als seinerzeit der unbeholfene Wilhelm. Seine Lippen pressten sich mit grober Gewalt auf die meinen, und der Ekel drohte mich ohnmächtig werden zu lassen. Aber dann wäre ich verloren gewesen. Und so regte sich in mir der Widerstand. Ich verspürte unvermittelt einen wilden Zorn, der mir ungeahnte Kräfte zu verleihen schien. In meinem Kiefer knackte es, die spitzen Eckzähne brachen weiter hervor, und ohne wirklich zu begreifen, was mit mir geschah, schleuderte ich den Vergewaltiger machtvoll von mir gegen die fleckige weiße Wand. Als er an dieser betäubt herunterglitt, vom Hinterkopf her eine rot glänzende Blutspur ziehend, erwachte erneut das Monster in mir, stürzte sich auf ihn und biss ihn mit aller Kraft in seinen muskulösen Hals. Das frische Blut aus der zerfetzten Ader rann mir warm über die Lippen. Und weil dadurch die Gier des Ungeheuers noch weiter wuchs, saugte ich in gierigen Zügen den roten Lebenssaft aus ihm heraus, um damit sein blutiges Verlangen zu befriedigen. Wenig später öffnete sich jedoch die Tür, zwei Männer polterten herein, rissen mich vom schlaffer werdenden Körper des Pflegers und steckten mich in eine Zwangsjacke, die mir jeden Widerstand unmöglich machte. Sie trugen den Verletzten aus der Zelle, löschten das Licht und ließenmich allein mit der bedrohlichen Atmosphäre der Gewalttätigkeit in der Finsternis zurück. Aus dem Raum kroch sie langsam und lähmend in mein Inneres, während ich mit gebundenen Armen auf dem Bett hockte und verzweifelt zu verstehen versuchte, was soeben geschehen war. Noch spürte ich das Blut des Pflegers auf meinen Lippen und ich fühlte, wie es mich wohlig durchflutete. Mein Herz schlug stark und mächtig wie noch nie in meinem Leben, und mein Körper produzierte eine ungewohnte Wärme, die mir in dieser eisigen Umgebung sehr angenehm und willkommen war. Ich begann mit dem Oberkörper rhythmisch zu schaukeln. Ein wenig vor … ein bisschen zurück … vor … zurück … vor … Langsam wich meine Erregung einer dumpfen Ruhe und endlich legte sich auch das Monster schlafen.
     
    Es hatte mich eigentlich immer nach Blut gedürstet! Schon als Säugling verschmähte ich Milch und man gab mir stattdessen einen roten Saft. Aber dennoch hatte mir etwas gefehlt und so schrie ich mehr als andere Babys, denn ich war ständig hungrig. Meine Mutter konnte mich deswegen oft nicht in ihrer Nähe ertragen und gab mich in die Obhut von Bediensteten, die aber meine Bedürfnisse ebenfalls nicht errieten. Erst als ich Krabbeln und schließlich Laufen lernte, begann ich mir selber Nahrung zu suchen. Ich war ein starkes Mädchen, wild und ungebärdig, durch wenig zu erschrecken, und hielt mich viel im Freien auf. Da fand ich Käfer und Regenwürmer und plünderte die Mausefallen. Ich fing Schmeißfliegen und Bremsen und hielt sie mir in Einmachgläsern, und wenn meine Cousins Bonbons lutschten, steckte ich mir heimlich einen fetten Brummer in den Mund. Als die Jungen mich einmal dabei beobachteten, erzählten sie es sogleich ihrer Mutter, unddie versuchte mich völlig aufgebracht von solchem Tun abzuhalten.
    »Das macht ein anständiges Mädchen nicht«, zeterte sie und riss mir das Einweckglas aus der Hand, um meine kostbaren Fliegen in die Freiheit zu entlassen. »Das ist Tierquälerei, und so etwas auch noch in den Mund zu stecken ist unhygienisch. Du wirst krank davon.«
    Aber ich blieb unbelehrbar, legte mir eine neue Fliegensammlung zu und pflegte mein Interesse an lebendiger blutiger Nahrung nun unauffälliger.
    Doch dann sah ich das erste Mal, wie unsere Köchin ein Huhn schlachtete, und spürte sofort großes Verlangen nach dessen Blut, welches beim Köpfen wie ein erfrischender Quell aus seiner Halsader sprudelte. Als sie mich dabei erwischte, wie ich mit gieriger Zunge das Schlachtbrett ableckte, schrie sie entsetzt auf, zerrte mich fort und schimpfe mich widerlich und ungesittet.
    »Spül dir den Mund aus, Amanda, dass du dich nicht selber vor dir ekelst!«
    Meine Mutter spielte die Sache herunter und meinte nur: »Sie ist ein Kind, das alles ausprobiert, und wird dergleichen gewiss nicht wieder tun.« Und zu mir gewandt meinte sie leicht tadelnd: »So etwas ziemt sich nicht, Amanda, geh, säubere dich und dann vergessen wir den Vorfall. Blut ist nichts, womit man in
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