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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda
Autoren: Bianka Minte-König
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deinem Alter spielen sollte.«
    Und weil das seltsam in meinen Ohren geklungen hatte, fragte ich mich beim Hinausgehen, ob es vielleicht ein anderes Alter gab, in dem diese Regel nicht mehr galt.
     
    Anderentags erhielt ich getreu dem Motto: »Wer bockt wird geschockt!«, meine erste Elektroschockbehandlung. Zwar hatte der Pfleger meine Attacke überlebt, aber derAngriff lieferte dennoch einen perfekten Vorwand, endlich an mir die am Menschen noch gänzlich unerforschte Methode der Elektrokrampftherapie auszuprobieren.
    Sie führten mich in der Zwangsjacke in einen Raum, der in Teilen wie die Versuchswerkstatt von Großvater Vanderborg aussah, und schnallten mich dort mit Lederriemen auf eine Pritsche, neben der ein elektrischer Apparat mit vielen Kabeln stand. Ich schrie und schlug um mich, aber vergebens, und als mein Körper fixiert war und ich mir meines völligen Ausgeliefertseins qualvoll bewusst wurde, trat der Professor zu mir und sprach mit sorgenvoller Miene.
    »Mein Kind, ich sehe nur noch eine Chance, dich von dem Irrsinn zu befreien, der dich verdammt, wie eine Bestie Menschen anzufallen, die es wohl mit dir meinen und die du in einem Zustand der Eintrübung deines klaren Verstandes offenbar für deine Feinde hältst. Das animalische Verhalten eines Raubtieres ist bei einem Menschen widernatürlich und kann nur durch falsche elektrische Impulse in deinem Gehirn erklärt werden. Nachdem du gestern erneut gewütet hast, sind wir übereingekommen, diese neue Methode nun zu deinem Wohle einzusetzen.«
    Ich warf den Kopf hin und her, als sie zwei Elektroden an meinen Schläfen anlegten. Ich schrie und bettelte um Freiheit, um Gnade, um Barmherzigkeit, doch sie zwangen mir ein Holzstück zwischen die Zähne, und noch ehe ich es von mir speien konnte, jagten sie einen starken Stromstoß durch meinen Kopf. Unter unkontrollierten Zuckungen meines sich aufbäumenden Körpers explodierten grelle Blitze in meinem Gehirn, bis ich in eine kurze schwarze Bewusstlosigkeit fiel. Sie nannten es Heilkrampf und es ähnelte einem epileptischen Anfall.
    Wieder erwacht jagte der nächste Schock durch meinen Körper und darauf noch ein weiterer, der mich endgültig niederwarf.
     
    Als ich zu einem dumpfen Bewusstsein wieder erwachte, sah ich in einem grauen, meinen Blick verschleiernden Nebel zwei Schemen neben meinem Bett und empfing bruchstückhafte Fetzen eines Gesprächs, das sie über mich und das Experiment führten.
    »… so hat man doch in Italien bei Tierversuchen schon eindeutige Beweise der Wirksamkeit erbracht … sie scheinen meines Erachtens durchaus auf den Menschen übertragbar zu sein … Wir dürfen nicht gleich zu viel erwarten … Wenn sie erwacht, werden wir sehen, ob sie darauf anspricht …«
    Jemand klopfte mir die Wangen.
    »Amanda! Amanda, hörst du mich?! Amanda, wach auf !«
    Der Schleier vor meinen Augen wollte sich nicht auflösen, sodass ich fürchten musste, erblindet zu sein.
    Ich fühlte mich bewegungsunfähig, obwohl ich nicht mehr festgebunden war. Meine Füße stießen gegen ein Metallgitter, und als ich mühsam die Hand ausstreckte, berührte auch sie kaltes Metall, so als sei mein Bett von einem Gitter umgeben, damit ich nicht durch eine unwillkürliche Bewegung herausfallen konnte.
    »Sie hat sich bewegt«, sagte eine Stimme, die mir vertraut vorkam, aber ich wusste nicht, wem ich sie zuordnen sollte.
    »Amanda, ich bin es, Professor Müller-Wagner. Kannst du mich erkennen?«
    Etwas wischte vor meinen Augen vorbei und erschreckte mich, weshalb ich sie automatisch schloss. Ich spürte dumpfe Furcht in mir. Mein Kopf und mein Körper schmerztenmich, so als wäre das entsetzliche Erlebnis in jede Zelle gekrochen und hätte sich über die Haut verteilt wie Millionen Peitschenhiebe. Als mich die Finger des Professors berührten, brannte es wie Feuer und ich schrie gepeinigt auf.
    Die Hand wurde zurückgezogen, um mich dann erneut, behutsamer, aber darum nicht weniger schmerzhaft, zu betasten.
    »Eigenartig«, sagte die andere Stimme. »Sie scheint am ganzen Körper eine extreme Schmerzempfindlichkeit ausgeprägt zu haben. Eine Folge der Elektroschockbehandlung?«
    »Ich habe von solchen Reaktionen gehört, wenngleich sie äußerst selten sein sollen und, wie mein italienischer Kollege berichtet, temporär. Das heißt, sie bilden sich nach kurzer Zeit zurück.«
    Das Feuer fraß sich unterdessen über meine gesamte Körperoberfläche, sodass ich es kaum noch ertrug zu liegen, denn auch die
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