Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Schädelknochen. Mit halboffenen Augen, denen man nicht mehr ansah, ob sie die Welt erkannten oder tief nach innen blickten, warf Dulcan den Kopf nach hinten und atmete schneller, immer schneller, bis nur noch ein hektisches Keuchen aus seiner Kehle drang. Holden beugte sich über ihn und riß seinen Kopf an den Haaren nach vorn. Was er hier tat, widersprach aller Menschlichkeit, gehörte zum Ekelhaftesten, was man mit einem Menschen anstellen konnte … aber sind zwei Plutoniumbomben und die Aussicht auf Millionen von Toten nicht noch ekelhafter, noch unmenschlicher?
    »Wo ist Cortone?« fragte Holden langsam, jedes Wort betonend, suggestiv und sich damit in Dulcans Bewußtsein hineinbohrend. »Wo ist Cortone?«
    »In einer Holzhütte.« Dulcans Stimme war ein schwebendes Stammeln.
    »Wo steht diese Hütte?«
    »In einem Moor.«
    »In welchem Moor?«
    »Ich kenne den Namen nicht.«
    »Hier in der Nähe des Sees?«
    »Ja.«
    »Wo ist Holden?« fragte Holden zur Kontrolle.
    »In meinem Boot.«
    »Wo ist Cortone?« Zweite Kontrolle.
    »In einer Holzhütte im Moor –«
    Holden ließ die Haare los. Dulcan fiel nach hinten über die Bank, mit ausgebreiteten Armen, als wolle er die Sonne anbeten. Sein gelbliches Gesicht war schweißüberströmt, sein Atem jagte, die Finger krampften sich zusammen, als verbrenne sein Herz.
    Klatschend ließ sich Lepkin ins Boot fallen. Er wirkte etwas absonderlich in seiner Nacktheit und mit der Nagan in der Hand.
    »Gott segne deinen Einzug, Brüderchen«, sagte Holden fröhlich. »Sie sehen auch nackt verteufelt gut aus, Lepkin. Nur die böse Narbe an der Schulter …«
    »Sie stammt von Ihnen, Holden. 1968 in Kuba. Sie erinnern sich.«
    »Genau. Ich wußte gar nicht, daß ich Sie erwischt habe, Lepkin. Tut mir ehrlich leid.«
    »Und die Narbe an Ihrem Knie, Holden?«
    »1965 von Ihnen. Am Amur.«
    »Stimmt. Sie konnten sich in die Mongolei retten! Tut mir auch leid, Holden. Unser unruhiger Beruf.«
    »Ich gebe nach dem 26. August auf.«
    »Das dürfen Sie mir nicht antun, Ric.«
    »Ich werde Farmer in Texas.«
    »Unmöglich! Wenn ich wieder in ihrem Land erscheine, werden Sie wieder Amerika verteidigen.«
    »Ich glaube nicht, Lepkin. Ich will heiraten, Kinder kriegen, ein normaler Bürger werden.«
    »Das glaube ich nicht.« Lepkin beugte sich über Dulcan. Er war ohnmächtig geworden, aber sein Atem ging ruhiger, sein Herz verarbeitete das teuflische Serum. Lepkin zeigte auf die auf dem Bootsboden liegende Spritze. »Gehirnwäsche?«
    »Ja.«
    »Und da wackeln Sie drohend mit dem Zeigefinger, wenn ich an meine Methoden denke? Wo ist nun dieser Cortone?«
    »In irgendeinem Sumpf hier in der Umgebung. Kennen Sie hier einen Sumpf?«
    »Ja. Das Ramsacher Moor.«
    Holden staunte. »Ihr Russen kümmert euch wohl zuerst immer um das Land, was?«
    »Ja, natürlich.« Lepkin setzte sich. »Die Erde ist die Mutter aller Dinge – sie muß man kennen und lieben. Wie sagen die Kosaken am Kuban? ›Wer ein Grasbüschel oder eine Birke liebt, redet mit Gott.‹ Rudern wir?«
    »Ja.« Holden setzte sich neben Lepkin auf die Ruderbank. Jeder nahm einen Riemen, hakte ihn in den eisernen Haken und tauchte ihn ins Wasser. »Lepkin, merken Sie was?«
    »Was, Brüderchen?«
    »Wir müssen jetzt, um ans Ufer zu kommen, im gleichen Takt rudern. Russen und Amerikaner im selben Rhythmus.«
    Lepkin und Holden zogen die Ruder durch, das Boot glitt über den fast unbewegten See. Vor ihnen lag Dulcan und röchelte leise. »Welch eine Idee …« sagte Lepkin tiefsinnig. »Man müßte alle Politiker in ein Ruderboot setzen, mitten im Ozean. Wenn sie die Küste erreicht haben, sind sie alle Brüder. Daß darauf noch keiner gekommen ist.«
    Mit kräftigen Schlägen trieben sie das Boot durch das Wasser. Ein nackter Russe und ein halbnackter Amerikaner, und mit jedem Ruderschlag wurde ihre Freundschaft enger.

Ramsacher Moor
    Dulcan, unfähig sich zu rühren, wurde von Pinipopoulos nach München gefahren und bei Beutels abgeliefert. Das war eine Stunde, nachdem Beutels erfahren hatte, daß Lepkin und Holden aus Tutzing fast fluchtartig verschwunden waren. Nun meldeten sie sich, indem sie Dulcan wie ein Geschenk übergeben ließen. Er trug um den Hals an einem Bindfaden einen kleinen Zettel, auf dem mit Bleistift stand: Ramsacher Moor.
    »Wie bei der Kinderlandverschickung«, sagte Beutels trocken. »Da band man den Kindern auch einen Laufzettel um den Hals. Ramsacher Moor. Drei Hubschrauber hin! Himmel noch mal, was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher