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Die drei Schmiede ihres Schicksals

Die drei Schmiede ihres Schicksals

Titel: Die drei Schmiede ihres Schicksals
Autoren: Adalbert Stifter
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schwerkrank und litt unter Depressionen. Ob er Selbstmord beging, ist nicht sicher nachzuweisen. Er starb am 28.1.1868.
     

Hagelwetter
     
     
    Die Wolken hatten nach und nach die Sonne verschlungen. Die vielen Haseln auf dem Berge lagen im Schatten, die anstoßende Gegend war im Schatten, und nur noch die fernen Stoppeln gegen Morgen waren beleuchtet und schimmerten.
    »Ich weiß nicht, liebe Kinder«, sagte die Großmutter, »ob es nun auch wirklich wahr ist, was meine Mutter oft erzählt hat, daß die heilige Mutter Maria, als sie zu ihrer Base Elisabeth über das Gebirge ging, unter einer Haselstaude untergestanden sei, und daß deshalb der Blitz niemals in eine Haselstaude schlage; aber wir wollen uns doch eine dichte Haselstaude suchen, deren Zweige gen Morgen hängen und ein Überdach bilden und deren Stämme gegen Abend stehen und den von daher kommenden Regen abhalten. Unter derselben wollen wir sitzen, solange der Regen dauert. Dann gehen wir nach Hause.«
    »Ja, so tun wir, Großmutter«, riefen die Kinder, »so tun wir.«
    Sie gingen nun daran, eine solche Staude zu suchen. Das braune Mädchen aber schoß in die Gebüsche und lief davon. Nach einem Weilchen kam es wieder und trug ein Reisigbündel in den Händen, wie man sie aus dünnen und dickern Zweigen und Stäben macht, aufschlichtet, trocken werden läßt und gegen den Winter zum Brennen nach Hause bringt. Es lief nun wieder fort und brachte zwei Bündel. Und so fuhr es mit großer Schnelligkeit fort, daß die braunblassen Wangen glühten und der Schweiß von der Stirne rann.
    Während das braune Mädchen die Bündel trug und die Kinder und die Großmutter eine Haselstaude suchten, waren die Wolken, die früher so langsam gewesen waren, nun viel schneller näher gekommen, und der Donner rollte klarer und deutlicher.
    Das braune Mädchen hörte endlich mit dem Herbeitragen von Bündeln auf und begann, aus denselben gleichsam ein Häuschen zu bauen. Es suchte eine Stelle aus, die gegen Abend mit dichten Haseln umstanden war, stellte Bündel gleichsam als Säulen auf, legte quer darüber Stangen und Stäbe, die es von dem Bündelstoße herbeigetragen hatte, bedeckte dieselben wieder mit Bündeln und häufte immer mehr und mehr Bündel auf, daß im Innern eine Höhlung war, die Unterstand bot.
    Da es fertig war und da die Kinder und die Großmutter auch bereits eine taugliche Haselstaude gefunden hatten, unter derselben saßen und auf das Gewitter warteten, ging es zu ihnen hin und sagte etwas, das sie nicht verstanden. Darauf machte es ein Zeichen. weil es die Sache nicht mit Worten sagen konnte: es hielt die linke Hand flach auf, hob die rechte hoch, machte eine Faust und ließ diese auf die geöffnete Hand niederfallen. Dann schaute es auf die Großmutter und zeigte auf die Wolken.
    Die Großmutter ging jetzt unter der Haselstaude hervor und stellte sich auf einen Platz, wo sie die Wolken sehen konnte. Dieselben waren grünlich und fast weißlich licht, aber trotz dieses Lichtes war unter ihnen auf den Hügeln eine Finsternis, als wollte die Nacht anbrechen. So wogten sie näher, und bei der Stille des Nußberges hörte man in ihnen ein Murmeln, als ob tausend Kessel sötten.
    »Heiliger Himmel, Hagel!« schrie die Großmutter.
    Sie begriff nun sogleich, was das Mädchen wollte, sie begriff die Kenntnis und Vorsicht des braunen Mädchens, die es mit den Reisigbündeln gezeigt hatte, sie lief gegen die Haselstaude, riß die Kinder hervor, bedeutete ihnen zu folgen, das fremde Mädchen lief voran, die Großmutter eilte mit den Kindern hinterher, sie kamen zu den Bündeln, das Mädchen zeigte, daß man hineinkriechen sollte, Sigismund wurde zuerst hineingetan, dann folgte Clemantia, dann folgten Emma und die Großmutter nebeneinander, und am äußersten Rande schmiegte sich das braune Mädchen an und hielt die blonden Locken Emmas in der Hand.
    Die Kinder hatten kaum Zeit gehabt, sich unter die Bündel zu legen, und eben wollten sie lauschen, was geschehen würde, als sie in den Haselstauden einen Schall vernahmen, als würde ein Stein durch das Laub geworfen. Sie hörten später das noch einmal, dann nichts mehr. Endlich sahen sie, wie ein weißes blinkendes Geschoß einen Hagelkorn vor ihrem Bündelhause auf das Gras niederfallen, sie sahen ihn hoch emporspringen und wieder niederfallen und weiterkollern. Dasselbe geschah in der Nähe mit einem zweiten. Im Augenblicke kam auch der Sturm, er faßte die Büsche, daß sie rauschten, ließ einen Atemzug
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