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Die drei Schmiede ihres Schicksals

Die drei Schmiede ihres Schicksals

Titel: Die drei Schmiede ihres Schicksals
Autoren: Adalbert Stifter
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Erworbenen setzten, der Wissenschaft, der Politik, der Kunst, bei wie vielen ist es zuletzt Sitte und Schmuck des Herzens geworden, als ein wirklich Menschliches (Humanes)? Oder tragen sie es nicht als toten Schatz, als bloßes Wissen oder Können in sich, es höchstens zu Nützlichem verwendend, nicht zum Guten?
    Ja durch vervielfältigte geistige und leibliche Kommunikationsmittel sind wir feiner, glatter, geschmeidiger geworden, wie Kiesel, die sich aneinander abreiben: aber ist deshalb der Kiesel innerlich weniger hart? Mit Betrübnis und Entsetzen müssen wir erfahren, wenn heute diese Politur, diese, ach, so fälschliche "Bildung" getaufte Politur von der Leidenschaft durchbrochen wird, daß da Feuerflammen herausfahren, wie wir sie kaum in alter oder ältester Zeit gesehen haben - oder gibt an Gräßlichkeit und Ausschweifung die französische Revolution irgendeiner Tatsache der früheren Zeit etwas nach? Oder zeigt die pyrenäische Halbinsel Gewinn an rein Menschlichem? - Und dennoch gewannen wir; denn solche Szenen der Weltgeschichte, werden, gottlob, seltener - aber wann wird jene Zeit kommen, in der ein Krieg ebenso ein Unding der Vernunft sein wird, wie ein Trugschluß schon heute ein logisches Unding ist?
    Es ist ein seltsam, furchtbar erhabenes Ding, der Mensch!! und schwindelnd für das Denken des einzelnen ist der Plan seiner Erziehung, die ihm Gott als Geschenk seiner moralischen Freiheit übertragen, daß er sie in Jahrtausenden, vielleicht in Jahrmillionen vollende! - Wie lange, wieviel Billionen Jahrtausende muß dann die Großjährigkeit dauern? Ich sagte oben, daß, was wir verloren haben, alle verloren. In der Glätte und Verflachung unserer Zeit ging alle tiefe Gemütskraft und Glaubenstreue unserer Voreltern unter, was sie auch immer unter uns stellen mag an Wissen und Erfahrung: fromme Kraft stellt sie weit über uns, und diese war allen gemein, sie war Geist der Zeit; denn nur der bringt das Bleibende hervor, was er durch Individuen zwar wirkt, aber er erzeugt selbst die Individuen. Darum baute dieser Sinn einst jene rührend erhabenen Kathedralen und malte jene Bilder, die wir heute bloß bewundern können, aber trotz aller Trefflichkeit unsrer technischen Mittel nicht mehr nachmachen, indes unser Zeitgeist auf das sogenannte Praktische geht, worunter sie meistens nur das Materiell-Nützliche, oft sogar nur das Sinnlich-Wollüstige verstehen; daher wir Eisenbahnen und Fabriken bauen, während sie Dome und Altäre, und wenn es ja heutzutage eine Kirche werden soll, so wird sie wieder sehr nützlich gebaut, oder sie sähe, wie ich es leider in meinem Vaterlande schon erfahren, wenn sie keinen Turm hätte, einem Zinshause ähnlich.
    Ja oft nicht einmal, bewundern mehr kann die Zeit jene kräftig schönen Werke der Vorzeit; denn wieviel tausend Wiener werden täglich über den Platz von St. Stephan gehen, ohne von dem Dome desselben etwas anderes zu wissen, als daß er sehr groß ist. Wenn mir jemand den Aberglauben unserer Voreltern einwenden will, so muß ich ihm leider entgegnen, daß er schaue, wie heute der religiöse Indifferentismus der sogenannten gebildeten Klassen furchtbar und widerwärtig neben demselben alten Aberglauben der Massen steht - und zuletzt ist Aberglaube schöner, heiliger, kräftiger als jene sieche Kraftlosigkeit des Indifferentismus, der bei den Worten: Gott, Unsterblichkeit, Ewigkeit nichts denkt und sie nur als Redeformen in dem Munde führt, die er überkommen hat wie andere Worte, bei denen er auch nichts denkt.
    Dies ist neben dem so vielen Nützlichen der Buchdruckerei eine Schattenseite derselben, daß, seit sie die Bücher so vervielfältigen, tausend und tausend Menschen aus der Welt gehen, ohne darin einen einzigen Gedanken gehabt zu haben; denn sie lesen sich einen gewissen Vorstellungskreis, eine Art Natur zusammen und sagen ihn so lange sich selber und andern vor, bis sie sterben, und wissen nicht, daß sie selber in der Welt gar nichts gedacht haben; darum hat sogar auch unsere Literatur etwas so Wässeriges und Familienähnliches, während die der Alten so frisch und so unmittelbar ist, trotz der Einfalt und Naivität, die wir heute belächeln.
    Solche und ähnliche schwermütige Gedanken hatte ich, als ich eines Tages aus den Katakomben des Stephansturmes wieder an das Licht des Tages trat und schnell durch das frivole Treiben der Gasse nach Hause ging.
    In diese Katakomben nun will ich den freundlichen Leser begleiten, daß er ein ernstes Stück
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