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Die drei Schmiede ihres Schicksals

Die drei Schmiede ihres Schicksals

Titel: Die drei Schmiede ihres Schicksals
Autoren: Adalbert Stifter
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lang nach, daß alles totenstill stand, dann faßte er die Büsche neuerdings, legte sie um, daß das Weiße der Blätter sichtbar wurde, und jagte den Hagel auf sie nieder, daß es wie weiße herabsausende Blitze war. Es schlug auf das Laub, es schlug gegen das Holz, es schlug gegen die Erde, die Körner schlugen gegeneinander, daß ein Gebrülle wurde, daß man die Blitze sah, welche den Nußberg entflammten, aber keinen Donner zu hören vermochte. Das Laub wurde herabgeschlagen, die Zweige wurden herabgeschlagen, die Äste wurden abgebrochen, der Rasen wurde gefurcht, als wären eiserne Eggezähne über ihn gegangen. Die Hagelkörner waren so groß, daß sie einen erwachsenen Menschen hätten töten können. Sie zerschlugen auch die Haseln, die hinter den Bündeln waren, daß man ihren Schlag auf die Bündel vernahm.
    Und auf den ganzen Berg und auf die Täler fiel es so nieder. Was Widerstand leistete, wurde zermalmt, was fest war, wurde zerschmettert, was Leben hatte, wurde getötet. Nur weiche Dinge widerstanden, wie die durch die Schloßen zerstampfte Erde und die Reisigbündel. Wie weiße Pfeile fuhr das Eis in der finsteren Luft gegen die schwarze Erde, daß man ihre Dinge nicht mehr erkennen konnte.
    Was die Kinder fühlten, weiß man nicht, sie wußten es selber nicht. Sie lagen enge aneinandergedrückt und drückten sich immer noch enger aneinander. Die Bündel waren bereits durch den Hagelfall niedergesunken und lagen auf den Kindern, und die Großmutter sah, daß bei jedem heftigeren Schlag, den eine Schlosse gegen die Bündel tat, ihre leichten Körperchen zuckten. Die Großmutter betete. Die Kinder schwiegen, und das braune Mädchen rührte sich nicht.
    Die Stumpfen der Haselnußstauden, die hinter den Bündeln waren, machten, daß der Wind nicht in die Bündel fahren und sie auseinanderwerfen konnte.
    Nach längerer Zeit hörte es ein wenig auf, so daß man den Donner wieder hören konnte, der jetzt als ein mildes Rollen erschien. Die Schlossen fielen dichter, waren aber kleiner, und endlich kam ein Regen, der ein Wolkenbruch war. Er fiel nicht wie gewöhnlich in Tropfen oder Schnüren, sondern es war, als ob ganze Tücher von Wasser niedergingen. Es drang durch die Fugen und Zwischenräume der Bündel auf die Kinder hinein. Nach und nach milderte es sich, der Wind wurde leichter, und der Donner war entfernter zu hören. Das braune Mädchen kroch aus den Bündeln hervor, stand auf und sah mit den schwarzen Augen unter die Bündel hinein.
    Die Großmutter stand auch auf und sah nach dem Himmel. Die Wolken hatten sich gegen Aufgang gezogen, dort war es finster, und man hörte das Niederfallen des Wassers und Eises herüber. Aber auf den Bergen gegen Untergang war es lichter, lichtere graue Wolken zogen herüber und zeigten, daß der Hagel nicht mehr zurückkehren würde. Der Regen hatte aufgehört, und es fiel nurmehr ein nasser Staub vom Himmel.
    Die Kinder gingen unter den Bündeln hervor. Die Kleider klebten an ihren Körpern. Das braune Mädchen blutete an dem nackten rechten Arm. Weil es sich nicht ganz unter das Reisig hatte hineinlegen können, so war es von einem Eisstücke gestreift und geritzt worden. Da die Großmutter es untersuchen wollte, machte es eine Bewegung, als ob es sagen wollte, daß die Sache keine Mühe wert sei. Man richtete sich zum Fortgehen.
     

Ein Gang durch die Katakomben
     
    Wir sind so gewohnt worden, unsere Voreltern als gute dumme Hanse zu betrachten, daß, wenn von was immer für geistiger Größe die Rede ist, wir sogleich mit den Fortschritten unsrer glorreichen Zeit da sind, worunter jeder die versteht, in der er gelebt hat, und daß, wenn von einer Dummheit die Rede ist, die dort oder da geschehen, wir sogleich schreien: "Dies ist doch unglaublich; so etwas geschieht in dem Jahre Eintausendachthundertzweiundvierzig!" Ich aber frage: "Warum sollte es denn nicht geschehen?" Was wir auch in gewissen Richtungen gewonnen haben, so blieb es doch meistens nur Eigentum einzelner oder weniger - was wir verloren haben, das verloren alle.
    Ich will mich deutlicher erklären. Die Wissenschaft, die Industrie, in gewissen Zweigen auch die Kunst (aber weniger) haben erstaunliche Fortschritte gemacht - aber das Gute, ich meine das Menschlich-Gute, was diese Dinge brachten, wie vielen wurde es zuteil? Oder liegt nicht die Masse in eben den Banden des Rohen gefangen wie einst, nur sind diese Bande beweglicher und polierter - und von denen, die sich in den Besitz des menschlich
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