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Die drei Schmiede ihres Schicksals

Die drei Schmiede ihres Schicksals

Titel: Die drei Schmiede ihres Schicksals
Autoren: Adalbert Stifter
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seltsamer Schauer.
    Was werden alle diese Werkzeuge, als sie noch ein denkender Geist belebte, ein liebendes oder hassendes Gemüt stachelte, Schönes, Herrliches oder Entsetzliches getan haben? Und nun liegen sie hier, starr, übereinandergeschichtet, eine wertlose schauererregende Masse.
    In gewissen Abständen, gleichsam symmetrisch geordnet, stecken zwischen ihnen die Köpfe, aber auch auf der Erde liegen bereits Trümmer herum, und der weiche Tritt läßt merken, daß man auf Moder gehe. Ein Führer bedeutete uns, daß man die vielfach zerstreuten Knochen der Katakomben und die einst auf dem Stephansfriedhofe ausgegrabenen hier der Ordnung wegen aufgeschichtet habe.
    Meine Phantasie fing bereits zu arbeiten an, sei es durch den Anblick vor mir aufgeschreckt oder gedrückt durch das Bewußtsein, unter der Erde zu sein. Die Luft trug nichts bei; denn trotz den hier vorgegangenen Akten der Zersetzung waren diese doch schon vor langer Zeit, und es ist seitdem eine solche Trockenheit eingetreten, daß die Luft, durch viele Schachte in Kommunikation mit der äußern erhalten, ganz trocken und rein ist.
    Wir ließen das Licht unserer Kerzen und Fackeln längs des großen Knochenstoßes hingleiten und beleuchteten bald diese, bald jene Partie, und das fahle verwitterte Grau dieser ausgetrockneten uralten Gebeine erglühte düster rot in dem Scheine unserer Lichter, die demungeachtet, trotz der anscheinenden Kleinheit dieser Räume, nicht bis zu den obern Rändern dringen konnten, so daß der Schein in unheimliche geheimnisvolle Schatten überlief, die hoch oben und seitwärts in den Ecken saßen und glotzten. Wenn wir einer Wand nahe kamen, so erglänzte das Gestein der Mauer in allerlei kleinen Flimmern, wahrscheinlich die schönen Glimmertäfelchen des Granites. Auf dem Fußboden war dichter Moder, hie und da ein Splitter, und der Fuß streifte zuweilen an einen Lappen von einst kostbarem und schimmerndem Seidenstoffe.
    Wir gingen weiter in einem Kreuzgange: Ein Schädel mit langen staubigen Haaren lag da. Einer leuchtete ihn an; ich aber mußte augenblicklich die Augen wegwenden, und es rieselte mir seltsam in dem Körper. - "Lassen Sie das liegen", sagte ein Führer, "Wir werden schon noch mehr solches und besser erhalten antreffen."' Ei freilich trafen wir es an. An einem viereckigen machtvoll großen Pfeiler stand ein Sarg, ein einziger in diesem Gewölbe, als wäre er von seinem Orte absichtlich hierhergebracht und geöffnet worden und dann stehengelassen; denn wirklich lag sein Deckel nebenan, und zwischen den Brettern, die vom Alter geschwärzt und nur mehr lose zusammenhängend waren, lag der einstige Bewohner dieses gezimmerten Hauses, eine Frau - - ach! wer war sie? Mit welchem Pompe mag sie einst begraben worden sein! Und in welchem Zustande liegt sie jetzt da! Bloßgegeben dem Blicke jedes Beschauers, schnöde auf die bloße Erde niedergestellt, und unverwahrt vor rohen Händen; das Antlitz und der Körper ist wunderbar erhalten - in diese verschlossenen Räume muß die Verwesung nicht haben eindringen können, so daß die organischen Gebilde bloß vertrockneten, aber nicht zerstört wurden - die Züge des Gesichtes sind erkennbar, die Glieder des Körpers sind da, aber die züchtige Hülle desselben ist verstaubt und zerrissen, nur einige schmutzig-schwarze Lappen liegen um die Glieder und verhüllen sie dürftig, auf einem Fuße schlottert ein schwarzer seidener Strumpf, der andere ist nackt, die Haare liegen wirr und staubig, und Fetzen eines schwarzen Schleiers ziehen sich seitwärts und kleben aneinander wie ein gedrehter Strick - diese Zerfetzung des Anzuges und die Unordnung, gleichsam wie eine Art von Liederlichkeit, zeigte mir ins Herz schneidend die rührende Hilflosigkeit eines Toten und kontrastierte fürchterlich mit der Heiligkeit einer Leiche.
    Ich legte mit der Spitze meines Stockes die Reste des gewiß einst prunkenden Anzuges so anständig, als es noch möglich war, über die Glieder und leuchtete dann der vergessenen Toten ins Antlitz. Es war im Todeskampfe und durch die nachher wirkenden Naturkräfte verzogen und in dieser dem Menschenangesichte gewaltsamen Lage erstarrt, und so blieb es, wer weiß wieviel hundert Jahre, in unheimlicher Ruhe ein Bild eines einstigen gewaltsamen Kampfes, der das so heißgeliebte Leben von diesen Formen abgelöset hatte, und eben das ist das Erschütternde an Mumien und Leichen, daß sie meistens in ihrer eisernen Ruhe doch auf einen furchtbar bewegten
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