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Die drei Musketiere

Die drei Musketiere

Titel: Die drei Musketiere
Autoren: Alexandre Dumas
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ihn gewöhnlich beherrschte.
    Sobald sie einen Händedruck gewechselt hatten, kam übrigens der Musketier dem Freund auf halbem Wege entgegen.
    »Ich war gestern total betrunken, lieber d'Artagnan«, sagte er,
    »hab's gleich heute morgen an meiner schweren Zunge gemerkt, wie an meinem noch immer stark erregten Puls. Ich möchte wetten, daß ich das tollste Zeug durcheinander geschwatzt habe.«
    »Nicht daß ich wüßte«, antwortete d'Artagnan, »Sie haben meines Erinnerns doch nur von ganz gewöhnlichen Dingen gesprochen.« – Athos ließ sich jedoch mit dieser Ausrede nicht abspeisen, sondern erwiderte: »Sie haben gewiß schon die Beobachtung gemacht, mein Lieber, daß ein jeder seinen besonderen Rausch hat: der eine den sentimentalen, der andere den fidelen Rausch; ich gehöre zur sentimentalen Gattung und neige dazu, in der Trunkenheit allerhand unheimliche
    Geschichten zu erzählen, mit denen mir meine Amme den Kopf verdummt hat. An diesem Gebrechen leide ich und gebe zu, daß es ein Kapitalfehler ist; sonst aber, Freund, sonst bin ich ein starker Trinker vor dem Herrn.«
    Athos sagte das auf so natürliche Weise, daß d'Artagnan an sich irre zu werden begann. »Oh, es ist mir jetzt freilich«, versetzte er, mit einem Versuch, die Wahrheit doch zu ermitteln,
    »als besänne ich mich – wie man sich auf Träume besinnt –, daß
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    wir von Gehenkten gesprochen haben.« – »Na, sehen Sie«, antwortete Athos, erbleichend und doch gezwungen lachend,
    »wußte ich es doch! Die Gehenkten sind mein Alp!« – »Ja, ja«, sagte d'Artagnan weiter, »jetzt taut mein Gedächtnis auf; ja, ja...
    von einer... warten Sie doch!... von einer Frau war die Rede!« –
    »Sehen Sie«, erwiderte Athos, während eine fast fahle Blässe auf sein Gesicht trat, »das ist meine große Mär von der blonden Frau, und wenn ich die erst erzähle, bin ich immer
    sternhagelvoll betrunken.« – »Ja, von einer großen, schönen Blondine mit blauen Augen haben Sie gesprochen, Freund«, sagte d'Artagnan. – »Und die gehenkt worden ist? Nicht wahr?«
    – »Ja, von ihrem Mann, einem Grundherrn Ihrer
    Bekanntschaft«, fuhr d'Artagnan fort, seine Blicke starr auf Athos heftend. – »Nun, da können Sie sehen«, rief Athos achselzuckend, »wie man seine Mitmenschen bloßstellen kann, wenn man seiner Sinne nicht mehr mächtig ist!«
    D'Artagnan schwieg; dann wechselte Athos plötzlich das Thema. »Übrigens«, sagte er, »schönen Dank für das Pferd, das Sie mir mitgebracht haben!« – »Nun, ist's nach Ihrem
    Geschmack?« fragte d'Artagnan. – »Ja, aber ein Tier zum Strapazieren wär's nicht.« – »Da irren Sie; ich habe in anderthalb Stunden über zehn Meilen mit ihm gemacht, und ihm keine Spur von Müdigkeit angemerkt.« – »So? Na, da könnte es einem freilich leid tun!« – »Leid tun? Was denn?« – »Daß ich's los bin!« – »Los bin? Wie soll ich das verstehen?« – »Die Sache ist die, mein Lieber. Als ich heute früh gegen sechs Uhr aufwachte, schliefen Sie noch wie ein Murmeltier, und ich wußte nicht, was ich anfangen sollte. Von unserm gestrigen Gelage war ich noch ganz schlapp. Da hörte ich, wie einer von unsern Engländern mit einem Roßkamm in der Gaststube unten um ein Pferd handelte. Das seine war gestern gestürzt. Ich trat zu ihm, und als ich sah, daß er für einen Brandfuchs hundert Pistolen bot, sagte ich: ›Sapperlot, Herr! Ich habe auch gerade einen Gaul zu verkaufen.‹ – ›Wenn es der ist, den der Page Ihres
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    Freundes gestern am Zügel führte, so dürfen Sie sogar sagen, einen sehr schönen Gaul‹, erwiderte der Engländer. – ›Meinen Sie, daß er hundert Pistolen wert sei?‹ – ›Allemal! Wollen Sie ihn dafür hergeben?‹ – ›Verkaufen nicht‹, sagte ich; ›aber spielen um ihn.‹ – ›Spielen? Karten oder Würfel?‹ – ›Würfel!‹
    Und so geschah es, und ich verspielte den Gaul; aber«, setzte er hinzu, »das Sattelzeug habe ich wiedergewonnen.«
    D'Artagnan zog ein sehr verdrießliches Gesicht. »Das ärgert Sie?« fragte Athos. – »Allerdings, ich kann es nicht leugnen«, antwortete d'Artagnan. »Mit den drei Rossen sollten wir ins Feld ziehen, und sie sollten uns gleichsam als Legitimation dienen; jedenfalls war das Roß, das Sie verspielt haben, ein Pfand, ein Andenken.«
    »Freund, versetzen Sie sich an meine Stelle«, antwortete der Musketier. »Ich langweilte mich zum Sterben, und bin, wie ich offen sage, mein Lebtag kein Freund von englischen Pferden
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