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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder
Autoren: Horst Biernath
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Arm ein. Er spürte ihre Wärme und hielt den Arm ganz still, als hätte sich ein Schmetterling darauf niedergelassen. Sie ließ die Hand langsam sinken. Das Gespräch stockte für eine Weile.
    Sie hatten inzwischen den Wald erreicht. Der Wind rauschte in den Kronen der Kiefern. Nadeln rieselten herab. Die Wege waren feucht und glitschig. In den schmalen Lichtungen regte sich kaum ein Luftzug. Es roch herbstlich und nach faulendem Laub und modernden Schwämmen. Boviste stäubten unter ihren Sohlen auf und puderten ihre Schuhe ein.
    »Wie geht es deiner Arbeit, Konrad?« fragte Trix endlich.
    Hellwang wischte sich ein Spinnennetz aus dem Gesicht: »Ich habe das Gefühl, endlich mit den Füßen Grund zu erreichen. Wenn ich mich nicht irre, wird das eine gute Sache. Ich möchte mit der Legende von den »königlichen Kaufleuten< aufräumen. Sie waren eine verruchte Bande, die Welser. Mit ihren Kollegen in Augsburg und Nürnberg waren sie die Würmer im Gebälk des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Was sollte daraus werden, wenn in einem Staat, der aus dem Mythos stammte, Bankiers und Industrielle von ihren Kontorschemeln aus Politik und Geschichte machen wollten?«
    Trix hörte stumm und aufmerskam zu. Sie vermochte nicht zu unterscheiden, ob die Gedanken, die er entwickelte, richtig oder falsch waren. Es war auch gleichgültig. Sie spürte in ihm die Flamme eines Geistes, der leidenschaftlich um Erkenntnis rang, und es beglückte sie, daß er zu ihr wie zu einem vertrauten Freunde sprach. Hellwang selber sah noch nicht die ganzen Umrisse und den ganzen Umfang seiner Arbeit, aber auf diesem langen Spaziergang bekam der Entwurf schärfere Konturen. Die Spieler schieden sich von den Gegenspielern, und die dramatischen Spannungen auf der düsterbunten mittelalterlichen Bühne ballten sich zusammen.
    Sie kehrten bei anbrechender Dämmerung nach Hause zurück.
    »Arme Trix«, sagte er ehrlich bekümmert, als er das Gartentor öffnete, »jetzt habe ich dich fast zwei geschlagene Stunden lang mit den ollen Welsern und ihren trüben Geschäftspraktiken gelangweilt.«
    In ihren Augen erlosch ein Licht. Sie hob ärgerlich die linke Braue: »Red’ doch keinen Unsinn«, sagte sie verstimmt, »ich verstehe wirklich nicht, weshalb du glaubst, dich entschuldigen zu müssen, wenn du einmal mit mir wie zu einem halbwegs vernünftigen Menschen sprichst!«
    Er machte ein unglückliches Gesicht, er konnte es sich nicht erklären, weshalb sie ihn plötzlich so gereizt anfuhr. Lydia und Söhnchen hüpften ihnen entgegen.
    »Der Guglhupf is der Kathi z’ammg’falln!« schrie Lydia begeistert, »wie a Nudelbrett! Aber pfundig schmecken tut er, akkrat wie Mandelpudding!«
    Trix klemmte ihr eine Haarspange fest, die sich zu lösen drohte. Ihr Gesicht war wieder fröhlich, als sie sich zu Hellwang umdrehte: »Schau einmal nach, Konrad, ob wir Baldrian im Hause haben. Ich befürchte das Schlimmste!«
    Aber ihre Befürchtungen waren grundlos. Die Kinder hatten eiserne Mägen, die mehr vertrugen als einen klitschigen Topfkuchen.
    Als Hellwang am nächsten Morgen die Post aus dem Briefkasten holte, fand er unter den Briefen gleich zwei an Trix gerichtete Schreiben. Im gleichen Augenblick, in dem er die gelben amtlichen Umschläge mit den Pergamentfenstern in die Hand nahm, wußte er, auch ohne einen Blick auf die Poststempel Wiesbaden und Traunstein zu werfen, was die beiden Schreiben enthielten: Trixens Berufung. Sie brauchte sich nur noch für das appetitlicher gebackene Brötchen zu entscheiden. Für den Bruchteil einer Sekunde durchzuckte ihn der törichte Wunsch, die Briefe einfach zu unterschlagen. Es war ein kindischer Gedanke und er schämte sich dafür. Aber nicht minder töricht wäre es gewesen, die Briefe in den Kasten zurückzuwerfen und es Trix zu überlassen, sich die Schreiben selber herauszufischen. Trotzdem empfand er es als eine besonders boshafte Fügung, daß gerade er ihr diese Antworten auf ihre Bewerbung auch noch übergeben sollte. Und es erforderte eine ordentliche Überwindung, ehe er sich dazu entschließen konnte, Trix zu rufen. Sie kam aus dem Kinderzimmer, wo sie die beiden Schränke mit Spielzeug neu eingeräumt hatte, und nahm die dicken Umschläge aus seiner Hand entgegen.
    »Woher?« fragte er mit belegter Stimme.
    »Wiesbaden und Traunstein«, antwortete sie nach einem Blick auf die Absenderangaben unterhalb der Stadtwappen. Sie riß zuerst den Wiesbadener Brief auf und entfaltete den Bogen. Er sah,
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