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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder
Autoren: Horst Biernath
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eingezogen war? Ein Geist der Fröhlichkeit und Jugend, ein befreiendes Aufatmen, ein heiterer Glanz, der sich allen mitteilte, den Kindern, Kathi und nicht zuletzt ihm selber. Verstand er überhaupt noch, daß er vor einem Monat geglaubt hatte, leergebrannt und ausgeschrieben zu sein? Eine neue Aufgabe drängte sich an ihn heran und er spürte, wie sie sich in ihm ausbreitete, von ihm Besitz ergriff und gebieterisch nach Vollendung verlangte.
    Und daneben — oder vielmehr darüber — keimte etwas Neues in ihm, etwas Zartes, mehr Geahntes als Bewußtes. War es Liebe? Er wagte nicht soweit zu denken. Gewiß war nur, daß es mit Trix zusammenhing und daß der Gedanke, sie könne wieder aus seinem Haus und aus seinem Leben verschwinden, einen unerträglichen Schmerz verursachen und zurücklassen würde. Er wünschte nichts sehnlicher, als daß sie bleiben möge, aber zugleich fürchtete er nichts mehr, als daß sie diesen seinen Wunsch erraten könne. Denn er war davon überzeugt, daß sie auf und davon laufen würde, wenn sie seine Wünsche auch nur ahnte. Er war inzwischen neununddreißig Jahre alt geworden, und wenn er sich im Spiegel betrachtete, dann fand er an den Schläfen graue Haare, und die Vergangenheit war an ihm nicht vorübergegangen, ohne ihre Spuren in sein Gesicht zu prägen. Trix war zehn Jahre jünger als er. Und sie hatte ihren Beruf! Wie konnte er je von ihr verlangen, den Beruf aufzugeben und ihr Leben und ihre Zukunft ihm anzuvertrauen?
    Um Gottes willen, dachte er inbrünstig und preßte die Fäuste gegeneinander, du darfst dich nie verraten! Das Gespräch heute ging schon über die Grenzen der Vertraulichkeit hinaus, die du dir erlauben darfst. Und es wäre unerträglich, wenn du sie in die Verlegenheit brächtest, dich auch nur mit einem Blick zurück- und zurechtweisen zu müssen. Du hast nur eine einzige Chance, und die besteht darin, daß diese verdammten Krankenhäuser und Sanatorien ihre Stellen schon anders besetzt haben, und daß die Kinder Trix hier festhalten und nicht mehr loslassen.
    Er hatte kein Glück. Zwei Briefe an Trix waren bereits unterwegs. —
    Als Hellwang tags darauf am späten Nachmittag das Haus verließ, um sich bei einem Spaziergang durch die Greiffinger Lohe den Schädel auszulüften, begegnete er Trix. Sie kam vom Bahnhof, denn sie war heute wie gestern nach dem Mittagessen in die Stadt gefahren, um Britta zu besuchen. Sie schloß sich ihm an. Er erzählte ihr, daß er die Absicht gehabt hätte, die Kinder auf seinen Spaziergang mitzunehmen, aber sie hätten sich geweigert, da Kathi beim Kuchenbacken sei, wobei ihre wichtige Hilfe darin bestand, die Schüsseln auszulecken und Kathi im Wege zu stehen.
    Er grüßte nach rechts und nach links über die Zäune, wo alte Herren in vorsintflutlichen Anzügen, die sie bei der Gartenarbeit auftrugen, Leimringe um die Obstbäume legten, die Stämme kalkten oder Mist untergruben.
    »Du kennst hier aber auch jeden Menschen«, staunte sie.
    »Man lebt nicht ungestraft in Greiffing. Ich kenne nicht nur jeden Menschen, sondern ich kenne auch die Geschichte jeder Goldreinette und jedes Rosenstocks, der seinem Besitzer Sorgen macht. Und in Greiffing gibt es in dieser Beziehung viele Sorgenkinder. Wenn ich neugierig wäre, wüßte ich auch über die Familienintimitäten Bescheid, aber ich beschränke mich auf die Botanik. Zu mir und meiner >Wildnis< haben die alten Herren Zutrauen. Ich luchse ihnen die Geheimnisse nicht ab, mit denen sie auf der nächsten Greiffinger Gartenschau Triumphe feiern und den blassen Neid ihrer Mitbewerber herausfordern wollen.«
    »Ich finde unsere Wildnis wunderbar!« rief Trix.
    »Die alten Herren sind da aber anderer Ansicht«, grinste er. »Meine Nachbarn haben mir lange bittere Vorwürfe gemacht, daß ich Löwenzahn und Gänseblümchen nicht energischer ausrotte. Der alte Oberst Habedanck wollte mir sogar einen Sack Kali-Stickstoff-Superphosphat kostenlos über den Zaun reichen. Jetzt haben sie mich als hoffnungslosen Fall aufgegeben. Aber heimlich haben sie die Kinder bestochen. Eine von Lydias Geldquellen — so eine Art Reptilienfonds — ist Herr Direktor Beyerlein. Für hundert abgelieferte Löwenzahnblüten bekommt sie ein Fünferl. Ich bin nur neugierig, was er für Augen machen wird, wenn er dahinter kommt, daß ich Gegenmaßnahmen ergriffen habe. Lydia holt die Butterblumen nämlich von der Schäferwiese.«
    Trix lachte hell auf, sie hängte sich für ein paar Schritte impulsiv in Hellwangs
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