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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder
Autoren: Horst Biernath
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Rasenflächen, sprengten Wasser, fleißig, zäh und unermüdlich, als müßten sie jetzt, nachdem das Alter ihrem beruflichen Ehrgeiz den Spielraum geraubt hatte, erst recht beweisen, daß sie auf der Welt noch zu etwas nütze waren. Und bei Gott, in Greiffing Trauben zu ziehen und Pfirsiche zu ernten, war kein Kinderspiel!
    Als sich die Hellwangs vor zwölf Jahren in Greif fing ansiedelten und in der Mozartstraße ihr Haus bauten, hatten auch sie selbstverständlich die lobenswerte Absicht bekundet, in Zukunft Äpfel und Birnen vom eigenen Baum zu pflücken und das Gemüse für den Tisch aus dem eigenen Garten zu holen, bodenfrische, knusprige Rettiche und Radieschen, knackende Zuckererbsen, vitaminreiche Karotten, herzhafte Kohlrabi und vielleicht sogar leckeren Stangenspargel... na, gewiß doch, weshalb nicht auch Spargel?

    Oberst A. D. Habedanck, der linke Nachbar, und der pensionierte Direktor Beyerlein von der Hypotheken- und Wechselbank, der Nachbar zur Rechten, hatten beifällig interessiert über den Zaun geguckt und Hellwang das Versprechen abgenommen, den Spargel ganz bestimmt auf der nächsten Gemüseschau des Greiffinger Gartenvereins Flora (e. V.) auszustellen. Im nächsten Jahr hatte Konrad Hellwang von der Baumschule Pröbstl in Seeshaupt eintausend kniehohe Thuja bestellt und mit Luisa diese Stämmchen im Kreuzverband rings um das ganze Grundstück gepflanzt. Fünf Jahre später hätten die alten Herren und lieben Nachbarn schon auf ihre Trittleitern steigen müssen, um sich über Hellwangs >Spargelkulturen< hinweg zublinzeln zu können.

    Jetzt stand das Haus mit seinem gänzlich unbajuwarischen Namensschild >Gode Wind<, das eine dunkelrote Ramblerrose schamhaft verdeckte, und mit seinem breiten hellroten Satteldach hinter rauschenden, undurchdringlichen Mauern. Nur das Einfahrtstor gab einen schmalen Durchblick auf ein Stück der holzverschalten Westfront und auf die Garage frei. Das andere alles barg sich im Sichtschutz der nie gestutzten, üppig wuchernden Hecke. Und das andere war kein Garten im Sinne der pensionierten Bankdirektoren und Reichsbahnräte, eher hätte man es eine Grünanlage nennen können. Da war einmal der Rasen, Gott, kein empfindlicher englischer Teppich wie drüben bei Beyerleins, wo der alte Herr zusammenzuckte und mit merkwürdigen Verrenkungen gleichsam gewichtslos hinüberschwebte, wenn den Kindern einmal der Ball ins Nachbargrundstück flog. Nein, Hellwangs Rasen war ein ehrliches Stück Kuhweide, auf der die Kinder nach Herzenslust herumtoben durften. Goldener Löwenzahn, wilde Maßliebchen und zahllose Gänseblümchen wuchsen darin um die Wette, und die Mädels wanden sich daraus bunte Kränze.
    Den Einfahrtsweg säumten Stachel- und Johannisbeeren, anspruchslose Sorten, die aber genug trugen, um in der Reifezeit täglich eine Schüssel für den Nachtisch zu liefern. Die beiden Goldparmänen verdankten ihr Dasein nur den Bitten der Kinder; das Beil schwebte sozusagen ständig über ihren unfruchtbaren Kronen. Britta, die älteste, besann sich deutlich darauf, daß die Büsche einmal ein paar rotwangige Äpfel getragen hatten. Jetzt waren ihre Wurzeln in den Kies gestoßen, sie brachten es nur noch zu einer kläglichen Blüte, aber nie mehr zur Frucht. Ab und zu ernteten die Kinder Bananen von den Zweigen, die Konrad Hellwang dort mit Zwirn befestigt hatte, die Kinder vergalten es ihm, indem sie ihn zuweilen Zigarren pflücken ließen, die aus seinem Rauchtisch stammten. Obst gab es in diesem Garten also nicht. Dafür gab es Blumen, Bauernblumen, die überall wucherten und sich selbst aussäten, wo ein Stückchen Erde frei war. Akelei und Rittersporn, lodernde Helianthusstauden, flammende Goldruten und >tränende Herzen<. Im Frühjahr schüttete der Goldregen seine leuchtenden Rispen aus, und wenig später läuteten die Veigelein den Sommer ein. Der gelbrote Islandmohn eröffnete den Blumenreigen, kaum, daß der Schnee die zartgrünen Federblätter freigab, und zu Allerseelen trotzten noch immer die weißen und rostroten Chrysanthemen den vorwinterlichen Hagelschauern.
    Das Hauptstück aber und der Stolz der Hellwang-Kinder, mit dem sie vor ihren Freunden prunkten, war >der Teich<, Konrads eigenhändiges Meisterwerk, ein Betonbassin mit einem stattlichen Durchmesser von mehr als sechs Metern. In der Mitte reichte das Wasser den Kindern bis zur Brust, man konnte darin schon ein paar Stöße schwimmen. Eine üppige Trauerweide tunkte ihre Zweige melancholisch in den
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