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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder
Autoren: Horst Biernath
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Hagelmatsch herum. Das lehmige Pfützenwasser spritzte nach allen Seiten auseinander und sprenkelte Söhnchens dunkelblaue Wollgarnitur mit gelben Tupfen.
    Hellwang erhob sich, um nach oben zu gehen. Das Erdgeschoß des Hauses gehörte der Familie, das obere Stockwerk mit den abgeschrägten Wänden war bis auf zwei Zimmer sein Bereich. Hier oben lag sein Arbeitsraum, seine Sicht erstreckte sich über die Nachbargärten und über die Wipfel der Greiffinger Lohe bis zu der blauen Kette des Gebirges hin, dessen Zinnen sich an Föhntagen greifbar nahe heranschoben. Neben dem Arbeitszimmer, das über die ganze Breite des Hauses reichte, befand sich die Bibliothek, eine etwas anspruchsvolle und hochtrabende Bezeichnung für einen Raum von knapp zwanzig Quadratmetern, in dem auf mehreren doppelseitigen Regalen seine Bücher standen. Die Handbücherei und die wertvollen, zumeist von befreundeten Autoren signierten Bände füllten zwei lange Borde unter den beiden Dachschrägen seines Arbeitszimmers und gaben dem Raum durch die bunten Einbandrücken eine lebendige Wirkung. Der große Schreibtisch mit der blankgewetzten Eichenplatte stand zwischen den beiden Fenstern. Holbeins Falkner schaute auf den Schreibenden nieder. Aus einer Nische im Hintergrund leuchteten die Trompetenfarben eines van Gogh in eine gemütliche Plauderecke mit Rauchtisch, Diwan und ein paar bequemen Sesseln. Alljährlich focht Hellwang mit dem Finanzamt harte Kämpfe aus, ob dieses behagliche Zimmer als Büro im Sinne einer gewerblichen Betriebsstätte anzusehen sei oder nicht. Bis jetzt hatte er immer den Sieg davongetragen.
    Auf der Treppe begegnete er seiner Schwiegermutter, die ihn bereits oben gesucht zu haben schien. Die alte Dame bewohnte einen der beiden Nebenräume, der andere gehörte Kathi, die den großen und kleinen Hellwangs nun seit elf Jahren diente. Sie war bald nach ihrer Schulentlassung ins Haus gekommen und den Hellwangs seither treu geblieben. Ihrer großen Namensträgerin, der Zarin aller Reussen, war sie nicht nur körperlich ähnlich, sie neigte auch, wie jene Katharina, zum Despotismus und war genauso gewaltig in ihrem Konsum an Männern, die sie insgeheim verachtete und nach dem Fasching kaltblütig hätte enthaupten lassen, wenn das in ihrer Macht gestanden hätte. Gott sei Dank besaß sie diese Macht nicht — das Morden wäre zu groß gewesen. Da sie eine treue Seele war und von den Kindern heiß geliebt wurde, trug die Familie dieses Joch ohne Murren. Kathi war der einzige Mensch im Hause, der eine Tür so zuknallen durfte, daß der Kalk von der Decke rieselte, ohne daß Konrad Hellwang den geringsten Einspruch erhob. Allerdings war Kathi auch zartfühlend genug, ihre heftigen Gemütsbewegungen an den unschuldigen Türen nur dann auszulassen, wenn Hellwang nicht bei der Arbeit saß. Vor dieser Arbeit, die sie lange Zeit nicht für voll genommen hatte, bekam sie im Laufe der Jahre einen mächtigen Respekt.
    »Ich habe dich schon in deinem Zimmer gesucht, Konrad...«
    »Nun, was gibt’s, Mutter?«
    »Ich habe da eine Anzeige entworfen...« die alte Dame schwenkte einen Zettel in der Hand. Hellwang öffnete die Tür seines Zimmers und ließ ihr mit einem leisen Seufzer den Vortritt. Ihr Tempo war ein wenig beängstigend.
    »Lies dir das doch einmal durch«, bat sie und reichte ihm den Zettel hin. Der Tag senkte sich schon, und die pastosen Farben des van-Gogh-Druckes glommen aus den Gespinsten der Dämmerung, die die Leseecke füllte. Hellwang trat mit dem Blatt ans Fenster und las halblaut: »Für frauenlosen Haushalt wird eine Dame gesucht, die bei vorhandener Hausgehilfin die Wirtschaft führen und drei Kinder von vier, acht und elf Jahren mütterlich erziehen kann. Persönliche Vorstellung erbeten.«
    »Nun?« fragte die alte Dame nach einer Weile, »wie findest du das?« Sie machte dabei ein Gesicht wie der liebe Gott am Abend des sechsten Schöpfungstages und schien mit ihrer Leistung sehr zufrieden zu sein. Hellwang kaute an seiner Lippe...
    »Kathi ist sehr selbständig — und leicht gekränkt«, antwortete er schließlich etwas düster, als blicke er gegen einen von Wetterwolken verhangenen Horizont.
    »Der ewige Eiertanz um Kathi!« murmelte die alte Dame und runzelte die schmalen, immer noch dunklen Augenbrauen, »sie wird sich eben daran gewöhnen müssen, daß hier eine neue Ordnung einzieht.«
    »Gewiß, gewiß...«, sagte Hellwang schwach und ohne rechte Überzeugung.
    Die alte Dame nahm seine lahmen Bedenken
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