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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder
Autoren: Horst Biernath
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als Zustimmung: »Also bist du mit dem Text für die Anzeige einverstanden — und auch damit, daß ich sie noch heute auf gebe?«
    Hellwang überflog die Zeilen noch einmal, er nickte sparsam: »Ja, es bleibt mir ja auch nichts anderes übrig; nur wäre es mir lieb, wenn du das Wort >mütterlich< streichen würdest. Es stört mich irgendwie und läßt sich mündlich vielleicht besser anbringen als auf einer Anzeigenseite...« Er zog seinen Kugelschreiber aus der Brusttasche und machte das Wort mit kräftigen Strichen unleserlich. Seine Schwiegermutter schickte sich an, das Zimmer zu verlassen.
    »Soll Kathi dir den Kaffee aufs Zimmer bringen?«
    »Nein, danke, sie soll die Kanne unter die Haube stellen, ich gehe nachher hinunter.«
    Hellwang wanderte zwischen den Bücherborden durch die Breite seines geräumigen Zimmers. Unten stürmten die Kinder, von Kathi zum Kaffee gerufen, ins Haus. Wenn es Streuselkuchen gab, trödelte nicht einmal Lydia.
    Jede Runde führte Hellwang zweimal an seinem Schreibtisch vorüber. Ein hoher Stapel braun marmorierter Bände aus der Staatsbibliothek mit vielen Lesezeichen zwischen den Seiten war rechts an die Kante geschoben. Unter dem gelben Pergamentschirm der Lampe lag ein Schnitzelregen kleiner Zettel mit Stichworten, Auszügen und stilistischen Notizen. In der Mitte der dunkelgebeizten Platte schimmerte ein halb beschriebener Kanzleibogen. Hellwang schrieb seine Arbeiten mit der Hand, und er benutzte das altmodische Papierformat, weil er einmal in der schlechten Zeit, als Schreibpapier, wie alles andere, Mangelware war, tausend Bogen ergattert und sich seitdem an sie gewöhnt hatte. Es war der sechzehnte seiner Arbeit über Friedrich Wilhelm von Steuben, den Organisator der nordamerikanischen Armee, Washingtons Generalstabschef, einer von den vielen Deutschen, die unter fremden Fahnen gekämpft hatten. Und >Lorbeer für fremde Fahnen< sollte auch der Titel des entstehenden Buches sein — falls dieser die Zustimmung seines Verlegers und Freundes Vollerthun fand.
    Luisas Tod hatte die Arbeit unterbrochen und Hellwang den Schwung und Auftrieb zu neuem Beginnen genommen. Fast täglich versuchte er, das Lebensbild und Schicksal seines Helden weiter zu formen. Aber sein Gestaltungswille zerbrach vor dem Anblick des leeren Sessels in der Plauderecke vor der bunten Bücherwand. Er hatte die Arbeit mit Gewalt weiterzutreiben versucht. Ein paar neue Sätze waren entstanden, aber die Worte schienen ihm alt und klanglos und die Gedanken, die er entwickelt hatte, blaß und ohne Saft zu sein. Seine Neigung zur Selbstkritik wurde lähmend und zerstörerisch. Luisas Zuspruch fehlte ihm, der Klang ihrer dunklen Stimme aus der dämmerigen Ecke, wenn er ihr einen neu entstandenen Absatz vorgelesen hatte: »Das ist gut, Konni, das ist dir ausgezeichnet gelungen...Lies mir den letzten Satz doch noch einmal vor...ach, findest du nicht, daß er ein wenig arg verschachtelt ist? Könntest du nicht zwei oder drei Sätze daraus machen, kurze, straffe Sätze? Weißt du, es klänge soldatischer...«
    »Himmelherrgottsakrament, wer schreibt das Buch, du oder ich?! Weshalb sagst du nicht gleich, daß das Ganze ein Riesenmist ist und daß ich das Manuskript in den Ofen schmeißen soll!!«
    Dann wurde es still. Luisa verschwand, ohne eine Spur gekränkt zu sein, wie ein Schatten. Nach einer halben Stunde dröhnte seine Stimme durchs Haus: »Luisa! Hallo, Luisa, wo steckst du eigentlich? Nie bist du da, wenn ich dich brauche!«
    »Ich komme ja schon — sei nicht so laut, Konni, die Kinder schlafen!« — Sie drückte sich in den kleinen braunen Sessel, dessen Rückenkissen noch den Abdruck ihres Körpers und ein wenig von seiner Wärme hielt, und war voller Erwartung: »Also — nun lies schon...«
    »Du, Luis’, ich habe da ein paar Sätze geändert...Hm, weißt du, das war alles zu langatmig, zu verschachtelt — man kommt einfach von dem verdammten humanistischen Gymnasium nicht los —, es war nicht knapp, nicht soldatisch genug. Schließlich geht es bei diesem Buch um Steuben, verstehst du...?«
    Ach Luisa, nie mehr würde auf seinen Ruf ihre heitere Antwort ertönen. — Hellwang ließ sich auf dem Schreibtischstuhl nieder und vergrub das Gesicht in den Armen. Die Zukunft war plötzlich so dunkel und unsicher geworden. Er fühlte sich einsam, alt und ausgeschrieben. Wohin trieb das Schiff mit der kleinen Besatzung?
    Sie hatten von seinen Einnahmen gut, aber nie allzu üppig gelebt. Hellwang hätte
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