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Die Drachenperle (German Edition)

Die Drachenperle (German Edition)

Titel: Die Drachenperle (German Edition)
Autoren: Marlies Lüer
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aber er war sich nicht ganz sicher. Vielleicht war es mehr Wunschdenken? Die närrische Hoffnung eines Einzelgängers, der einer alten Prophezeiung mehr Bedeutung zumaß als ihr möglicherweise gebührte? Denn er konnte sich nicht sicher sein, weil es keine bildlichen Aufzeichnungen gab, nur Worte, nur knappe Beschreibungen und einige Verse. Außer ihm und der Heilerin glaubte ohnehin keiner mehr an die alte Prophezeiung der Erweckung. Das Volk der Taikianer hatte sich mit den Gegebenheiten abgefunden. Sie siedelten nicht länger im Zentrum des Waldes, in ihrem angestammten Lebensraum. Diese schreckliche Eiszeit hatte sie an den Rand des Waldes getrieben und darüber hinaus.
    Während er auf den schlafenden, sichtlich erschöpften Jungen blickte, gingen ihm viele Gedanke n durch den Kopf. So jung! E r hatte nicht erwartet, dass der Erlöser so jung und verletzlich sein würde. Wie konnte er dieses Kind auf die Suche schicken? Zu früh, er war zu früh gekommen, vor seiner Reife! Oder doch nicht? Er hatte einen Helden erwartet! Nachdenklich strich er mit seinen knorrigen Fingern über sein bärtiges Kinn und zupfte unbewusst an seinem Bart, weil es ihn beruhigte. Wenn Darorah ihn jetzt so zweifelnd sehen würde, käme ihr sicher wieder eine ihrer spöttischen Bemerkungen über die Lippen. Ob der Junge wirklich in der Lage war, den verschollenen Tempel des Taiki zu entdecken? Der Eremit vergegenwärtigte sich alle prophetischen Sprüche, die er einst gelernt hatte und suchte darin Stärke und Zuversicht. Er durfte keine Fehler machen, sobald er die Ereigniskette in Gang setzte. Währenddessen behielt er das Kind genau im Auge und bat den Schöpfer Taiki innerlich flehend um Beistand.
    Als der Junge erneut erwachte, fühlte er überrascht eine angenehme Wärme. Erleichtert öffnete er seine Augen. Ein Herdfeuer strahlte sie aus und erleuchtete auch den Raum, in dem er sich jetzt unerklärlicherweise befand. Die Lagerstatt war weich und sehr angenehm. Jemand hatte ihn sorgfältig zugedeckt.
    „Du fragst dich sicher, wo du bist und wie du hergekommen bist?“
    Die volltönende Stimme kam aus der Ecke gegenüber. Der Junge sah einen hageren alten Mann mit langem weißem Bart und geflochtenem Haupthaar. Sein Gesicht war voller Runzeln. Seine eisblauen Augen wirkten trotz des offensichtlichen Alters eher jung und frisch. Er saß in einem grobgezimmertem Lehnstuhl und blickte ihn wohlwollend an.
    „Ja“ , sagte der Junge zögerlich mit leiser Stimme und nickte vorsichtig, denn sein Kopf schmerzte immer noch. „Und ich frage michnoch viel mehr, vor allem wer ich bin ? Ich habe das Gefühl, ich weiß gar nichts, das macht mir Angst!“
    „ Das ist verständlich, mein Lieber . Ich werde dir jetzt erzählen, was ich über dich weiß und dir sagen, wo du bist und wer ich bin, aber ich fürchte, das wir d dir nicht viel helfen. Also: I ch weiß, dass du wie ein Neugeborenes splitterfasernackt unter dem Erlöser-Baum gelegen hast, als Kimkimdraorkim dich fand. Als du wieder ohnmächtig wurdest, hat sie dich zu mir gebracht, sonst wärest du erfroren. Zum Glück hast du keine Erfrierungen erlitten, du kannst noch nicht lange im Wald des Ewigen Frostes gelegen haben.“
    „Kimkim-okkim? Wer soll das sein? Da war niemand, kein Mensch außer mir. Ich weiß noch, dass ich verwirrt war und eine Stimme mich narrte und es war so furchtbar kalt.“
    „Kimkim draorkim würde ich nicht als „niemand“ bezeichnen. Wie gut, dass ich sie vorhin ausgeschickt habe, einen Botengang zu erledigen. Sonst wäre sie jetzt vermutlich arg beleidigt. Die Gute ist recht empfindsam, musst du wissen, auch wenn sie etwas vorlaut ist. Ach ja, ich habe mich dir noch nicht vorgestellt. Entschuldige bitte meinen Mangel an Manieren, aber ich habe so selten Gäste. Mein Name ist Madox. I ch bin ein Eremit und lebe und wache im Wald im Lande des Taiki. Ich bin also ein Taikianer.“
    Der alte Mann, der eine große Würde ausstrahlte, verb eugte sich leicht vor seinem Gast , was sein e zahlreich en kleinen Zöpfe in Bewegung versetzte. Dann erhob sich aus seinem Lehnstuhl, um zum Herdfeuer zu gehen. Er füllte etwas heißen Tee in einen hölzernen Beche r und streckte seine Hand aus .
    „Trink mein Junge, das wird dir gut tun. Ein Kräutertee mit Honig. Ist dir denn inzwischen warm geworden?“
    Prüfend schaute der Eremit die Haut des Jungen an, sie war inzwischen wieder besser durchblutet. Madox schätzte sein Alter auf 14, höchstens 15 Jahre, war sich
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