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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein
Autoren: Sebastian Thiel
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eine Hand auf die Schulter, eine lange Umarmung folgt. Du sagst, es spiele keine Rolle, deine Zeit sei gekommen gewesen und du seist glücklich. All die Wunden, die sie dir zugefügt haben, seien bedeutungslos an dem Ort, wo du die Unendlichkeit mit ihr verbringen kannst. Allmählich scheine ich meinen Körper nicht mehr zu spüren. Du bemerkst meine Unsicherheit. Jetzt schaust auch du nach unten und flüsterst mir zu, dass ich nicht loslassen solle. Deine Geliebte tritt an mich heran. Sie schenkt mir eine lange Umarmung und ihre schwarzen Haare legen sich wie ein wärmender Umhang über meine Haut. Sie flüstert mir zu, dass ich gut auf ihre Schwester aufpassen solle, dass es nicht ihre Schuld gewesen sei und sie ihr verzeihe. Ich solle mich um sie und die Zwillinge kümmern. Ich sage ihr unter Tränen, dass ich nicht verstehe. Sie gibt mir einen Kuss auf die Wange und flüstert, dass dazu noch viel Zeit bliebe. Dann dreht sie sich zu dir.
    War vor wenigen Sekunden noch alles klar und deutlich, scheinen die Umrisse des Weihers langsam zu verschwinden und sich hinter einem hellen Schleier zu verstecken.
    Noch einmal kommst du auf mich zu und drückst mich fest an dich. Du sagst, dass ich noch nicht an diesen Ort gehöre, dass du immer in meinem Herzen bleiben würdest und mich immer begleitest, genau, wie deine Geliebte ihre Schwester begleiten würde. Noch ein Mal lächelst du mich an.

    Die ersten Sonnenstrahlen des Tages blendeten ihn. Mit einem lauten Stöhnen fuhr Maximilian sich über das Gesicht und spürte ein nasses Tuch, mit dem über seine Stirn getupft wurde.
    »Dem Allmächtigen sei Dank.«
    Maximilian hörte die Worte wie durch eine dumpfe Wand, als wäre er noch nicht ganz an diesem Ort. Er erkannte die Stimme. Langsam öffnete er die verklebten Augen.
    »Schwester Agathe«, stöhnte er leise.
    »Äbtissin Agathe, wenn ich bitten darf.«
    Er blickte in das strenge Gesicht der Frau.
    Erst langsam formten sich ihre dünnen Lippen zu einem Lächeln. »Schön, dass du wieder bei uns bist.«
    Maximilian versuchte, sich aufzurichten. Jeder Muskel seines Körpers schmerzte, seine Augen brannten, als hätte er sie ewig nicht benutzt. Doch er war am Leben. Er lag in seinem Bett in der Abtei. »Wie lange habe ich geschlafen?«
    »Das kann man kaum Schlaf nennen. Einen langen Fiebertraum wohl eher. Fast zehn Tage sind vergangen, seit dich deine Freunde aus den Sümpfen Süchtelns holten.«
    Vorsichtig setzte er seine Lippen an den Krug Wasser, den die Äbtissin ihm reichte.
    »Wie geht es …?«
    »Elisabeth geht es gut. Sie wachte Tag und Nacht an deinem Bett. Ich habe sie schlafen geschickt, schwangere Frauen sollten Ruhe haben.«
    Auch wenn der Schmerz seine Sinne betäubte, löste die Nachricht ein Hochgefühl in ihm aus.
    »Von deiner Wunde am Hinterkopf wird nur eine Narbe zurückbleiben, aber deine Bauchverletzung hat dem Arzt lange Zeit Sorgen gemacht.« Sie stellte den Krug zur Seite. »Trotzdem scheinst du das Gröbste überwunden zu haben. Die Kugel ist entfernt.«
    Erst langsam begann sein Verstand zu arbeiten. »Das Kloster ist sicher?«
    Kurz blickte die Nonne zum Fenster hinaus, strich sich über das Skapulier. »Es scheint so. Anscheinend wollte Eberstein nicht riskieren, die Wut der Bevölkerung auf sich zu ziehen, indem er das Kloster plündert und die Frauen tötet. Ich habe Gerüchte über euren Tod in Umlauf gebracht, die Huren sind weitergezogen. Für Eberstein gibt es keinen Grund mehr, euch zu jagen. Innerhalb dieser Mauern sind wir hoffentlich sicher.«
    Erleichtert atmete Maximilian auf. Bevor er eine weitere Frage stellen konnte, wurde die Tür einen Spalt breit geöffnet.
    »Ich habe Stimmen … Maximilian!«
    Ungeachtet seiner Wunde fiel ihm Elisabeth um den Hals und rannte dabei fast die Äbtissin um. »Du hast lange geschlafen, ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben.«
    Sie schenkte ihm einen langen Kuss, bis Agathe sich räusperte. »Nun, es gibt viel zu tun. Ich lasse euch beide einen Moment allein.« Im Türrahmen drehte sie sich noch einmal um. »Bedenkt, dass dies ein Gotteshaus ist«, drohte sie mit einem Lächeln.
    »Was ist passiert?«, wollte Maximilian wissen.
    »Ich habe versucht, dich alleine aus dem Wald zu tragen. Irgendwann kamen Jakob, Uta und Pauline, und sie halfen mir, dich ins Kloster zu bringen.«
    Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie haben sie uns gefunden?«
    »Sie haben die Pferde gesehen.« Plötzlich stockte ihre Stimme und sie brauchte einen
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