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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein
Autoren: Sebastian Thiel
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aufknüpfen. Genießt den Sieg, er wird nur bis zum Morgengrauen andauern.«
    Mit diesen Worten packte er eine Muskete und sprang aus dem Fenster. Sofort rannte Maximilian ans Fenster, blickte hinab. »Er hat überlebt, rennt zu den Pferden.«
    Auch Ratte sah hinaus. »Er will nach Süchteln und zu den Truppen aufschließen.«
    »Ich werde ihm folgen«, schoss es immer noch atemlos aus Maximilian hervor.
    Elisabeth streckte ihren Arm nach ihm aus. Noch bevor sie etwas entgegnen konnte, sprang auch er aus dem Fenster und war in der Dunkelheit verschwunden.
    »Maximilian«, flüsterte sie.
    Einige Sekunden starrte sie gebannt in die warme Nacht hinaus, bis sie sich losriss und zu Bela hastete.
    Jakob war bereits bei ihr, zerschnitt ihre Fesseln und hob sie aus dem Bett. Es schien ihm nicht die geringste Mühe zu bereiten, das Mädchen zu tragen.
    Elisabeth streichelte Belas Gesicht. Es war übersät von Blutergüssen. Einige waren bereits violett, glitten fast ins Schwarze ab, andere mussten gerade hinzugekommen sein, schimmerten ihr bläulich entgegen. Die Hand- und Fußgelenke waren blutig, es konnte nicht das erste Mal gewesen sein, dass er sie gefesselt hatte. Zärtlich streichelte sie über die Wange des Mädchens. Belas Lider flackerten vor Angst, als wäre sie im Fieberwahn. Dann erhob sie die Hand und befühlte das kantige Kinn Jakobs. Ihre Stimme war so dünn, dass Elisabeth sich vorlehnen musste, um sie zu verstehen.
    »Er ist groß und stark, bringt mich zum Lachen, wenn ich traurig bin. Gemeinsam bauen wir ein kleines Häuschen und suchen uns einen ruhigen Platz, an dem frisches Wasser fließt und all die Grausamkeit des Krieges nicht hinkommt.«
    Elisabeth erinnerte sich an diese Worte. Bela hatte sie schon einmal verwendet.
    Jakobs Augen glänzten, als hielte er eine Kostbarkeit in den Armen, einen Himmelsstern, der gerade vor seinen Füßen gelandet war und den er aufgehoben hatte. »Du bist das schönste Mädchen, das ich jemals gesehen habe«, flüsterte er und konnte den Blick nicht von ihrem Gesicht nehmen. »Ich müsste den Major zweimal umbringen, damit er seine gerechte Strafe erhält.«
    Daraufhin lächelte Bela und schmiegte sich an Jakobs Brust. Als würde sich der Schleier der Benommenheit lüften, streckte sie ihre Hand nach Elisabeth aus. »Eli, du bist gekommen.«
    Elisabeth drückte das Gesicht des Mädchens vorsichtig an sich und küsste dessen Stirn. »Aber natürlich, ich hatte es ja versprochen.«
    Knarrende Geräusche aus dem anderen Zimmer ließen die Gruppe herumfahren. Elisabeth fuhr der Schreck durch Mark und Bein, als sie den schlaksigen Leutnant Bayer erkannte. Er musste seine ganze Kraft aufwenden, um die Muskete zu halten. Zitternd schüttete er das Grain Schwarzpulver auf die Zündpfanne.
    »Ihr wart tot! Ich hab es mit eigenen Augen gesehen.« Er stand mit weit aufgerissenen Lidern im anderen Zimmer.
    »Leutnant Bayer, es ist vorbei, lasst uns einfach gehen«, sagte Elisabeth mit fester Stimme und stellte sich vor Jakob und Bela.
    »Hauptmann Bayer, wenn ich bitten darf!«, schrie der Offizier. »Und dass es vorbei ist, das bezweifele ich stark.«
    Nur mit großer Anstrengung konnte er die Waffe halten, ohne eine Gabel zu benutzen, doch aus nächster Nähe würde selbst er nicht danebenschießen. Der Lauf schwankte gewaltig.
    »So hört doch, der Major ist geflüchtet«, versuchte Elisabeth ihn zu beschwichtigen. Wenn die Kugel den Lauf verließ, könnte sie jeden treffen, zudem bestand die Möglichkeit, dass die Soldaten im Innenhof gewarnt wurden. Nein, das durfte nicht passieren. Fest blickte Elisabeth in die hellen Augen des Mannes. So viel Hass und Bitterkeit hatte sie selten gesehen.
    Ein schauderhaftes Lächeln zog sich über das Gesicht Bayers. Eine beinahe wahnsinnige Maske, als würde der Teufel aus ihm sprechen. »Ihr werdet mir meine Laufbahn nicht kaputt machen. Soll von Rosen doch fliehen, was meinst du, wer als Nächstes in der Rangfolge steht und von Eberstein befördert wird? Dies ist die Möglichkeit, dass ein schwächlicher, geprügelter Junge aus Hessen an die Spitze der Armee kommt.« Sein Grinsen wurde breiter. »Leb wohl, Hure.«
    Gerade als er den Abzug betätigen wollte, warf sich Ratte mit voller Wucht gegen den Lauf. Ein Schuss löste sich, das entzündete Schwarzpulver lag schwer in der Luft. Elisabeth stürzte sich auf Bayer. Er lag am Boden, die Muskete einige Fuß neben ihm. Er wollte sich aufrichten, doch sie trat ihm mit voller Wucht gegen
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