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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein
Autoren: Sebastian Thiel
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Sekunden bedachte der Mann das Tier mit einem Blick. Dieser kurze Moment der Unachtsamkeit reichte aus, dass Elisabeth sich mit voller Wucht auf den Mann werfen konnte. Er taumelte, verlor das Gleichgewicht und stolperte in den Weiher. Ein dunkler Schrei ertönte. Sofort versuchte der Major, sich herauszukämpfen, doch nach wenigen Herzschlägen waren auch seine Beine tief im Moor versunken. Er schrie, donnerte die Arme in den Schlamm, trat mit den Beinen wie wild gegen den sumpfigen Boden.
    »Du … du Hure!«, brüllte er aus Leibeskräften.
    Maximilian blickte zu Elisabeth. Schnell suchte sie sich einen Ast, an dem er sich festhalten konnte. Mit großer Mühe zog sie ihn schließlich aus dem Sumpf. Schwer atmend lag er auf dem Boden, über und über mit feuchtem Dreck beschmutzt, und hielt ihre Hand.
    »Ich sagte, dass du dort bleiben solltest.«
    Ohne eine Antwort zu geben, küsste sie seine Lippen.
    »Wie geht es dir?«, wollte Maximilian wissen und legte seine Hand auf ihren Bauch.
    »Besser«, flüsterte sie und sah ihm tief in die Augen. »Maximilian, danke, dass du das alles für mich getan hast.«
    Er strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. »Ich habe es für uns getan.«
    »Das ist ja allerliebst!«, schrie von Rosen.
    Sofort schossen ihre Blicke herum. Er war mittlerweile bis zum Bauch eingesunken, hatte es aber gerade noch geschafft, neues Schwarzpulver auf die Pfanne zu legen. Sie blickten in den Lauf der Muskete, nur wenige Armlängen von ihnen entfernt. Mit aller Kraft hob der Major seinen Arm, um den Winkel der Waffe zu ändern. Er zielte genau auf Elisabeths Bauch. »So nehme ich doch noch zwei Leben mit mir«, wisperte von Rosen und drückte ab.
    Bevor der Schuss fiel, handelte Maximilian. Er warf sich vor Elisabeth und spürte im nächsten Moment einen stechenden Schmerz in seinem Bauch. Der Wald war bereits dunkel, doch nun verlor er sich vollends in der Finsternis.

    Seine Finger begannen zu zittern, das Atmen fiel ihm schwer. Alles war kalt. Es schien, als würde ihn eine unsichtbare Hand in die Tiefe ziehen. Unbarmherzig legte sie sich um seine Brust und drückte immer weiter zu. Nur die Wärme von Elisabeths Händen spendete ihm Trost. Er sah im Mondschimmer, dass sich ihre Lippen bewegten, konnte die Worte aber nicht verstehen. Egal, was sie sagte, solange sie bei ihm blieb, war es gleichgültig. Schon spürte er, wie die Kraft seinen Körper verließ. Noch eine Sache war auf dieser Erde zu erledigen. Ein letzter Gruß, eine kurze Verabschiedung …
    Seine vom Dreck braun gemalte Hand legte sich bebend auf den Bauch Elisabeths. Nicht die Hessen, nicht Vikar Weisen, nicht mal von Rosen konnten ihn töten. Er würde weiterleben. In diesem Kind, das in ihrem Bauch heranwuchs. Zu gern hätte er dem Kind versprochen, dass er immer für es da sein würde, dass er es beschützen würde, egal, welche Feinde sich ihm in den Weg stellten. Doch über seine Lippen drangen keine Worte. Mehr und mehr ergriff die Dunkelheit erneut von ihm Besitz. Auf seinen Lidern schienen Tonnen zu lasten, als er in die Augen Elisabeths blickte. Ein letztes Mal strich sie über seine Wangen, dann spürte Maximilian, wie seine Hand von ihrem Bauch herunterglitt, ehe er sich in Dunkelheit verlor.

Kapitel 20
- Eine neue Hoffnung -

    Ich spüre, wie Tränen meine Wangen herunterlaufen, während ich mit dir hier stehe und den Blick auf das Vergangene senke. Die Schritte weg von diesem schrecklichen, unheiligen Ort fallen leicht, als könnte ich immer schneller laufen und der Boden würde sich unter meinen Füßen verlieren. Ich bin unendlich froh, weg von diesem Weiher zu gehen, und doch hält mich etwas dort. Ich erkenne die Frau, welche mein Kind trägt, ihre blonden Locken leuchten beinahe in der Finsternis. Sie umarmt meinen Körper, küsst meine Wangen und hält mich fest im Arm. So viel Schmerz, so viel Leid und Unaussprechliches mussten wir ertragen. Der ganze Hass unserer Feinde ist dort unten geblieben. Die Flüche und Schreie, mit denen sie uns verbannen wollten, sind verstummt. Und die nicht enden wollende Qual scheint vergessen. Dann blicke ich zu dir. Du bist ganz ruhig, ein mildes Lächeln umspielt deine Lippen, während du näher an mich herantrittst. Wie ich es erhofft hatte, hältst du deine Geliebte im Arm. Du siehst glücklich aus, mein Bruder.
    Eine unendliche Last fällt von meinen Schultern, als ich dich um Verzeihung bitte. Du lächelst, als gäbe es keinen Grund, sich zu entschuldigen. Du legst mir
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