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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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machten sie unter einer Gaslaterne Halt. »Es tut gut, eine Londoner Stimme zu hören«, sagte die Frau einschmeichelnd. »Ich habe so lange in Frankreich gelebt, dass mein Englisch ganz eingerostet ist.«
    »Keineswegs«, erwiderte Fraser. Ihre Stimme war sehr angenehm.
    »Ich bin Madame Tournachon«, sagte sie. »Sybil Tournachon.«
    »Mein Name ist Fraser.« Er verbeugte sich.
    Sybil Tournachon zupfte mit der bloßen Rechten an dem Glacéhandschuh ihrer Linken, in der sie auch den anderen Handschuh trug. Es war ein sehr warmer Tag. »Sind Sie einer ihrer Paladine, Mr. Fraser?«
    »Ich fürchte, ich verstehe nicht, was Sie meinen«, sagte Fraser. »Leben Sie eigentlich in Paris, Mrs. Tournachon?«
    »In Cherbourg«, sagte sie, »aber ich bin die ganze Strecke mit dem Morgenexpress hierher gefahren, nur um sie sprechen zu sehen.« Sie machte eine Pause. »Ich verstand allerdings kaum ein Wort von dem, was sie sagte.«
    »Das macht überhaupt nichts, Madame«, sagte Fraser, »ich auch nicht.« Er begann, Gefallen an ihr zu finden. Der Dampfwagen kam. Der Chauffeur stieg mit einem dreisten Augenzwinkern zu Fraser aus, zog ein schmutziges Stück Sämisch leder aus der Tasche und machte sich pfeifend daran, den befleckten Rand eines geschwungenen Kotflügels zu wienern.
    Das gnädige Fräulein kam aus dem Vortragssaal. Sie hatte daran gedacht, ihre Tasche mitzubringen. Als sie näher kam, wurde Madame Tournachon vor Aufregung ein wenig blass und zog ein Programm aus ihrer Jacke.
    Sie war ganz harmlos.
    »Gnädiges Fräulein, darf ich Ihnen Mrs. Sybil Tournachon vorstellen?«, fragte Fraser.
    »Sehr angenehm«, erwiderte Lady Ada.
    Madame Tournachon machte einen Knicks. »Würden Sie so gut sein und mein Programm signieren? Bitte.«
    Lady Ada schien einen Moment ratlos, aber Fraser gab ihr geistesgegenwärtig den Schreibstift aus seinem Notizbuch. »Selbstverständlich«, sagte sie nun und nahm das Programm. »Entschuldigen Sie – wie war der Name?«
    »›Für Sybil Tournachon.‹ Soll ich es buchstabieren?«
    »Nicht nötig«, sagte Lady Ada lächelnd. »Es gibt einen berühmten französischen Aeronauten namens Tournachon, nicht wahr?« Fraser bot seinen Rücken als Unterlage für den Schreibstift. »Ein Verwandter von Ihnen, vielleicht?«
    »Nein, Euer Hoheit.«
    »Wie bitte?«, fragte Lady Ada angesichts dieser Anrede.
    »Man nennt Sie die Königin der Maschinen …« Mrs. Tournachon zog das signierte Programm mit triumphierendem Lächeln aus Lady Adas Fingern. »Die Königin der Maschinen! Und Sie sind bloß ein komischer kleiner grauhaariger Blaustrumpf!« Sie lachte. »Diese Vortragsreisen, meine Liebe – zahlt sich das aus? Ich hoffe, es lohnt sich für Sie!«
    Lady Ada starrte sie verblüfft an.
    Fraser festigte seinen Griff um den Stock. Er trat zur Bordsteinkante, öffnete rasch die Tür.
    »Einen Moment!« Die Frau zog mit jäher Kraft an einem Finger ihrer Rechten und hielt einen Ring in der ausgestreckten Hand. »Bitte – ich möchte Ihnen dies geben!«
    Fraser trat mit dem Stock zwischen sie. »Lassen Sie sie in Ruhe.«
    »Nein«, rief Mrs. Tournachon, »ich habe die Geschichten gehört, ich weiß, dass sie es braucht …« Sie drängte ihn zur Seite, streckte den Arm aus. »Bitte, nehmen Sie dies! Ich hätte Ihre Gefühle nicht verletzen sollen, es war gemein von mir. Bitte nehmen Sie mein Geschenk! Bitte, ich bewundere Sie wirklich, ich habe den ganzen Vortrag abgesessen. Bitte nehmen Sie ihn, ich habe ihn eigens für Sie mitgebracht!« Dann wich sie mit leerer Hand zurück und lächelte. »Danke sehr, und viel Glück. Ich werde Sie nicht wieder behelligen. Au revoir! Bonne chance! «
    Fraser folgte dem gnädigen Fräulein in den Dampfwagen, schloss die Tür, klopfte an die Trennscheibe. Der Chauffeur nahm seinen Platz ein.
    Der Dampfwagen fuhr an.
    »Was für eine sonderbare kleine Person«, sagte das gnädige Fräulein. Sie öffnete die Hand. Die Filigranfassung des Ringes hielt einen dicken, funkelnden Brillanten.
    »Wer war sie, Mr. Fraser?«
    »Eine Verbannte, denke ich«, antwortete Fraser. »Sehr dreist von ihr.«
    »War es falsch von mir, den Ring anzunehmen?« Ihr Atem roch nach Brandy und Mineralwasser. »Sicherlich nicht ganz korrekt. Aber andernfalls hätte sie eine Szene gemacht.« Sie hielt den Ring in das einfallende Sonnenlicht. »Sehen Sie sich die Größe des Steines an! Er muss sehr teuer gewesen sein.«
    »Unecht, Milady.«
    Lady Ada nahm den Ring wie ein Stück Kreide zwischen die
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